Rede zu Datensicherheit von NRW-Unternehmen

Plenarrede zum Antrag der Piratenfraktion „Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie PRISM und Tempora schützen!“ am 11.7.2013

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wäre tatsächlich gespannt, was Herr Dr. Paul so während meines Redebeitrags an seinem Platz erzählt. Aber da müssen wir wohl bei der NSA nachfragen.

(Beifall von den PIRATEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wurde gerade schon gesagt: Wir beraten heute erneut über die Überwachungsprogramme Prism und Tempora. Wir haben zu Recht festgestellt, dass der Schutz der Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger hohe Priorität genießt, sehr wichtig ist und auch für alle hier im Haus vertretenen Fraktionen durchaus eine hohe Relevanz hat. Wir haben ebenso festgestellt, dass Programme wie Prism, Tempora und Konsorten vor diesem Hintergrund nicht akzeptabel sind.

Wir debattieren richtigerweise heute nicht nur über den Schutz der Privatsphäre von Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch über Zugriffe auf Unternehmensdaten. Denn auch hier gibt es absolut legitime Schutzinteressen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, das müssen wir auch in den Hintergrund einsortieren, den wir in dieser Diskussion haben. Das Internet ist der Innovationsmotor unserer Zeit. Dafür braucht es Vertrauen. Und dieses Vertrauen wird derzeit untergraben. Man braucht das Vertrauen, dass Datenvorgänge, Informationen sicher sind und dass sie nur diejenige oder denjenigen erreichen, für die oder den sie bestimmt sind. Das ist gerade in Zeiten von Big Data eine zentrale Diskussion, die auch unmittelbar Auswirkungen auf Nordrhein-Westfalen als EKT-Standort hat.

Hierbei spielt auch Cloud Computing eine große Rolle. Viele Unternehmen speichern ihre Daten nicht mehr nur lokal, sondern sie bedienen sich der Cloud als sinnvollem und flexiblem Werkzeug. Die rasant steigende Nutzung des mobilen Internets wird diesen Trend noch beschleunigen. Da stellen sich dann tatsächlich Datenschutzfragen neu und anders. Die Cloud hat vergangenes Jahr in einer kritisch gewürdigten Entscheidung einen der BigBrotherAwards erhalten. Die Jury schrieb für die Vergabe an die Cloud und zu dem Trend, Nutzerinnen und Nutzern mit der Auslagerung die Kontrolle über ihre Daten zu entziehen, unter anderem:

Die unverschlüsselte Auslagerung von Adressbüchern, Fotos, Archiven, Vertriebs-Infos und Firmeninterna auf Cloud-Servern sei insbesondere deshalb fahrlässig, weil fast alle Cloud-Anbieter als US-Firmen nach dem Foreign Intelligence Surveillance Act verpflichtet seien, die Daten an ihre Polizei und Geheimdienstbehörden auszuliefern, auch wenn die Rechenzentren sich auf europäischem Boden befänden.

Wenn man sich anguckt, dass es diese Diskussion vor inzwischen schon anderthalb Jahren gab, dann müssen wir die Diskussion heute vielleicht ein Stück weit anders bewerten, klarer bewerten. Denn an diesem Punkt zeigen sich Dilemmata, die sich durch die Digitalisierung für den Datenschutz ergeben, über die wir diskutieren müssen. Aber das darf nicht bedeuten, dass wir jetzt den Aluhut zur Arbeitskleidung machen und nur noch Faxe verschicken. Im Gegenteil, ich wünsche mir gerade auch aus der Wirtschaft Impulse für die weitere Entwicklung.

Nicht zuletzt haben unsere Beratungen zur europäischen Datenschutzreform im Frühjahr gezeigt, dass Datenschutz nicht die Bremse, sondern im Gegenteil der Beschleuniger für Innovationen und wirtschaftliche Impulse sein kann. Das muss endlich Berücksichtigung finden. Auch vor diesem Hintergrund blicke ich den Ausschussberatungen mit Interesse entgegen.

Wir sollten vielleicht noch einmal überlegen, ob wir das nur im Bereich Wirtschaft beraten oder auch an anderen Stellen. Beispielsweise ist auch der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen für den Bereich Abwehr von Spionage zuständig. Er könnte sicherlich auch interessante Punkte in die Debatte einbringen. Vielleicht überlegen Sie das noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Piratenfraktion.

Meine Damen und Herren, wir brauchen gute Bedingungen für den Schutz der Privatsphäre. Wir brauchen auch vernünftigen Schutz für Unternehmen, damit Sie nicht ausgeforscht werden. Wir haben es immer wieder diskutiert. Bei der Bundesregierung habe ich eindeutig den Eindruck, dass sie diese die Aufklärung der Abhörskandale nur als eine lästige Pflichtübung empfindet.

Der Bundesinnenminister wird jetzt losziehen und sich im Rahmen einer ohnehin geplanten USA-Reise vielleicht auch mit einigen Unterabteilungsleitern über Prism unterhalten. Frau Merkel hat jetzt inzwischen fünf Wochen sehr eindeutig geschwiegen. Sie hat der „ZEIT“ ein Interview gegeben, das in der aktuellen Ausgabe abgedruckt ist. Sie hätte eigentlich die Möglichkeit gehabt, auf einer ganzen Zeitungsseite Stellung zu nehmen und Klartext zu reden. Diese Chance hat sie nicht genutzt. Sie hat ein bisschen beschwichtigt und abgewogen; aber sie hat es nicht vollbracht, zu einem substanziellen Ergebnis zu kommen. Ich finde, das ist wirklich sehr unbefriedigend.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe deutlich den Eindruck, dass diese Bundesregierung, bei der der Spielball liegt, nicht bereit ist, in der notwendigen Art und Weise für den Schutz unserer Privatsphäre einzustehen, und dass sie ihren Schutzauftrag nicht ernst nimmt. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss sich ganz dringend ändern. Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und von Dr. Joachim Paul [PIRATEN])

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