Plenarrede: Flüchtlings-App

Plenarrede am 19.3.2015 zum Antrag der Piratenfraktion „NRW 4.0 mit Leben füllen: Jetzt einen Wettbewerb für eine erste Orientierungshilfe per App für Flüchtlinge in NRW ausschreiben“

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde versuchen, Herr Kollege Herrmann, mich im Wesentlichen mit dem Inhalt Ihres Antrages auseinanderzusetzen. Ich will mich insoweit von der Vorrednerin ein bisschen absetzen.

(Beifall von den PIRATEN)

Ich finde das Grundanliegen Ihres Antrags sehr spannend. Das will ich direkt vorweg sagen. Das gilt sowohl in flüchtlingspolitischer Hinsicht als auch aus netzpolitischer Perspektive. Die Digitalisierung lässt uns alle zusammenwachsen. Sie ermöglicht globale Kommunikation. Dieses Versprechen der Demokratisierung der Kommunikation gilt natürlich auch für die Menschen, die auf der Flucht vor Verfolgung und Not zu uns nach Nordrhein-Westfalen kommen.

Auch da gebe ich Ihnen recht: In vielen Fällen verfügen sie über ein internetfähiges Smartphone. Damit können sie Kontakt halten zu ihren Angehörigen einerseits, aber andererseits auch zu den Menschen, die ihnen wichtig sind. Sie können sich untereinander vernetzen und sie können sich auch – das ist ja Ihr Anliegen – mit denjenigen vernetzen, die ihnen helfen wollen und die Angebote vor Ort machen wollen, um diese Menschen zu unterstützen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die technische Voraussetzung für den Erfolg einer solchen Service-App ist nicht allein das Smartphone, sondern auch der Zugang zum Internet. In einer ganzen Reihe von Kommunen – ich finde das an dieser Stelle durchaus erwähnenswert – ist man inzwischen dazu übergegangen, Unterbringungseinrichtungen für Flüchtlinge über Freifunk mit drahtlosem Internet zu versorgen. Das ist eine gute, eine wichtige zivilgesellschaftliche Initiative, um mehr Menschen, in diesem Fall Flüchtlingen, die sich in Einrichtungen des Landes befinden, die digitale Teilhabe zu ermöglichen. Da unterstützen wir die Freifunkbewegung. Es ist aus meiner Sicht ein guter und wichtiger Schritt, dass wir derzeit interfraktionell an einem entsprechenden Antrag arbeiten.

Nun aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es ja so: Oppositionsvorschläge – das ist Ihr vornehmes Recht – müssen sich nicht dem Realitätscheck stellen. Das vereinfacht für Sie die Arbeit. Wir als regierungstragende Fraktion müssen allerdings schon sehr genau hingucken, was von diesen Vorschlägen geht und was nicht.

Es ist bei Herrn Stotko schon angeklungen, dass es sinnvoll ist, sich vor allen Dingen kleinräumig organisiert auch auf kommunaler Ebene über derartige Initiativen, wie Sie das hier vorgeschlagen haben, Gedanken zu machen.

Ich kann mir im Augenblick tatsächlich nicht vorstellen, dass es möglich sein soll, für ganz Nordrhein-Westfalen eine einzige App mit dem von Ihnen vorgeschlagenen vielfältigen Angebot zu entwickeln. Da ist der Aufwand wahrscheinlich doch sehr, sehr hoch. Es kann auch schwierig sein, kommunale Spezifikationen einzubauen, die es braucht, damit das funktioniert.

Im Übrigen gilt natürlich, dass auch das persönliche Beratungsgespräch – für den Hinweis bin ich dem Kollegen Stotko sehr dankbar –, das direkte Angebot vor Ort sicherlich immer noch die erste Priorität genießen sollten.

Nichtsdestotrotz finde ich, dass wir Ihre Vorschläge durchaus in die Diskussion aufnehmen sollten, Herr Kollege Herrmann.

Ministerin Barbara Steffens machte mich gerade aufmerksam auf das Projekt Lola-nrw, eine Beratungs-App für Sexarbeiterinnen, die vielfach mit ähnlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, nämlich dass sie keine direkten Zugänge zu Beratungsangeboten haben. Vielleicht ist es, wenn es eine technische Infrastruktur durch eine solche App gibt, sinnvoll, darüber nachzudenken, ob man die nicht weiterentwickeln kann. Ich finde, das wäre jetzt ein konstruktives Ergebnis dieser Debatte, wenn wir da gemeinsam weiterkommen könnten.

Ihr Antrag ist aber im Moment zu weitgehend und in der Form nicht zustimmungsfähig. Aber ich glaube, es macht Sinn, weiter darüber zu diskutieren, wie man mit diesem Thema umgehen kann.

Letzter Punkt, auf den ich gerne noch eingehen möchte: Dass Sie in Ihrem Antrag auch die Verknüpfung zu Open.NRW gezogen haben, hat mir sehr gut gefallen, weil ich wieder sagen kann: Versprochen, gehalten! – Wir haben hier vor knapp zwei Monaten über das Datenportal debattiert. Es ist seit dieser Woche online. Offene Daten ermöglichen eben nicht nur Innovationen. Sie ermöglichen nicht nur einen Weg für Start-ups, für innovative Marktteilnehmer, sondern sie ermöglichen auch zivilgesellschaftliches Engagement. Das wird durch offene Daten ermöglicht.

Auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal dafür werben, sich mit diesem Thema und auch mit der großen Innovationskraft, die da drinsteckt, noch einmal ganz stark auseinanderzusetzen. – Ganz herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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