Plenarrede zu Datenschutzreform und Industrie 4.0

Plenarrede am 20.5.2015 zum Antrag der CDU „Datenschutz und Datenwirtschaft – Industrie 4.0 braucht modernen europäischen Datenschutz“

Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Es ist schon fast beeindruckend, dass sich die CDU mehr als dreieinhalb Jahre nach dem ersten Entwurf der Kommission erstmals plenar mit der europäischen Datenschutzreform auseinandersetzt.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Sie hat die Daten entdeckt!)

Ihr Antrag ist eine absolute Mogelpackung. Es geht Ihnen nicht um modernen Datenschutz für die Europäerinnen und Europäer, für die Menschen in Europa – das können Sie noch so oft beteuern –, sondern Ihnen geht es einzig und allein um die Absenkung von Standards.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Damit folgen Sie einer sehr schlechten Tradition, nämlich der Tradition der CDU-geführten Bundesregierung. Seit der erste Vorschlag der Kommission vorliegt, scheint es eines der größten Prinzipien deutscher Bundesinnenminister zu sein, dieses Vorhaben zu verwässern.

Statt endlich dafür zu sorgen, dass für 500 Millionen Europäerinnen und Europäer hohe Datenschutzstandards gelten, ist die Bundesregierung – das erkennt man, wenn man sich Untersuchungen ansieht – führend bei der Verschlechterung.

So sollen die Errungenschaften quasi abgeschafft werden, die mit der europäischen Datenschutz-Grundverordnung verbunden waren und noch immer verbunden sind, nämlich Datensparsamkeit in ganz Europa festzuschreiben: Demnach sind nur die Daten zu sammeln, die notwendig sind; für alle Bürgerinnen und Bürger muss es bei der Datenverarbeitung eine informierte Zustimmung geben; es muss eine Zweckbindung geben.

Wenn Sie sich in diesem Zusammenhang einmal die Laudatio zu den diesjährigen BigBrotherAwards an Hans-Peter Friedrich und Thomas de Maizière durchlesen, stellen Sie fest: Das ist ein schauriger Ausflug ins Innenleben der deutschen Reformverweigerung.

Um es direkt am Anfang der Diskussion, die Sie aufgemacht haben, zu sagen: Datenschutz ist kein Wettbewerbsnachteil. Datenschutz ist auch kein Standortnachteil. Dass uns ausgerechnet heute ein Ex-Pirat vom Gegenteil überzeugen will, finde ich schon bemerkenswert. Ich fürchte, Sie meinen das, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, ernst. Wenn das zuträfe, wäre das tatsächlich schlimm. Für die CDU lautet die Konsequenz aus der Digitalisierung: weniger Datenschutz und – wie wir es von Ihnen in diesem Zusammenhang regelmäßig hören – mehr Überwachung.

Das kann doch nicht die Lehre aus einer Situation sein, in der wir Massenüberwachung durch aus dem Ruder gelaufene Geheimdienste erleben, und zugleich einige wenige Datenschleudern das Recht auf Privatheit mit ihren Diensten angreifen! Die CDU ist und bleibt da ein bürgerrechtspolitischer Totalausfall.

Ihr Antrag ist aber nicht nur in bürgerrechtspolitischer Hinsicht falsch, sondern er ist auch fern jeder ökonomischen Vernunft. Sie glauben doch nicht im Ernst, die digitale Wirtschaft sollte ihr Heil darin suchen, dass es noch ein neues Google oder ein neues Facebook mit mehr Datenverarbeitung, mit mehr Datensammlung, mit mehr Profilbildung gibt. Das ist doch nicht der Weg, auf den wir uns begeben sollten. Das sind vor allen Dingen nicht die Standortvorteile, die wir hier in Deutschland, in Europa haben und die wir nutzen müssen. Wir müssen unsere Stärken bei Datenschutz, bei Datensicherheit nutzen. Dass Sie das nicht wollen, ist der Kardinalfehler Ihres Antrags und Ihrer Argumentation.

(Beifall von den GRÜNEN)

Alle Untersuchungen im Digitalbereich zeigen, dass der Datenschutz den Verbraucherinnen und Verbrauchern am Herzen liegt. 70 % der Internetnutzerinnen und ?nutzer geben an, dass sie schon einmal einen Dienst nicht in Anspruch genommen haben, weil ihnen die Datenschutzbestimmungen nicht ausreichten. Das zeigt doch schon, wie sehr die CDU an dieser Stelle auf dem Holzweg ist.

Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn Sie sich mit der europäischen Datenschutzreform beschäftigen wollen, bewegen Sie Ihre Bundesregierung dahin, endlich etwas für den Datenschutz in Europa zu tun und dieses große Reformvorhaben nicht weiter zu vertagen und zu verwässern! Verlassen Sie bitte in der Diskussion hier im Haus, die jetzt vor uns liegt, den unsinnigen Pfad, auf den Sie sich heute begeben haben! – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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