Plenarrede zur „Digitalisierungsstrategie“

Rede zum CDU-Antrag „Digitalisierungsstrategie“ im Plenum am 9. Juni 2016

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr nach meiner Fraktion war auch eine Gruppe aus der CDU-Fraktion in Estland. Sie haben sich von der dortigen digitalen Gesellschaft faszinieren lassen.

(Heiterkeit von den GRÜNEN)

Ich habe versucht, mir das genaue Reiseprogramm von der Website Ihres Fraktionsvorsitzenden zu laden. Da kam folgende Meldung:

Website offline. Armin Laschet ist Landesvorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen und Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Aachen II. Seine Website wird derzeit überarbeitet … Kontakt: Armin Laschet MdL, Platz des Landtages 1, 40221 Düsseldorf

So viel zur digitalen Verfasstheit der CDU.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Sie wollen von Digitalisierung reden, und der Chef ist offline – wir haben das nachgeschaut – schon über zwei Jahre.

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese CDU will uns vom digitalen Wandel erzählen. Sie wollen uns von digitaler Vorreiterschaft erzählen. Sie sind offline. Und Sie sind dabei mit Sicherheit nicht die richtigen Ansprechpartner.

Estland ist in der Tat – davon haben wir uns überzeugen dürfen – ein faszinierendes Beispiel für die Gestaltung des digitalen Wandels, wenngleich man sich immer bewusst sein sollte, dass man nicht alles eins zu eins übertragen kann. Ein paar Sachen sollten wir anders machen. Gerade ist das Beispiel Steuererklärung in Estland wieder genannt worden. Das geht nicht so schnell, weil man sie elektronisch einreicht – das ist in Deutschland auch Standard –,

(Marcel Hafke [FDP]: Die muss man noch ausdrucken!)

sondern weil Estland ein Flattaxsystem hat. Ein einheitlicher Steuersatz für alle Bürger ist ungerecht. Darum ist es gut, dass wir uns an der Stelle unterscheiden.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Ein weiteres Beispiel ist das Internetgrundrecht. Estland hat das nur als abstrakt definiertes Ziel in seiner Verfassung. Finnland hat den Zugang zum Internet zwar als Grundrecht, aber zumindest bis zum letzten Jahr wurde das mit „1 MBit/s“ übersetzt. Das ist uns zu wenig. Darum geben wir eine halbe Milliarde Euro aus, damit in Nordrhein-Westfalen alle Haushalte bis 2018 Zugang zum schnellen Internet haben.

Nun zum dritten Beispiel: Sie fordern – da wird es wirklich spannend – in Ihrem Antrag eine Digitalisierungsstrategie. Wir haben auf unserer Reise den estnischen CIO getroffen. Ich habe ihn genau danach gefragt – –

(Robert Stein [CDU]: Wo sind denn die 3,7 Milliarden € gemeldet?)

– Herr Stein, es ist egal, wenn Sie das nicht hören wollen. Das ist halt so. Ich erzähle Ihnen, was wir da erlebt haben.

(Robert Stein [CDU]: Ich hatte nur gefragt, wo die 3,7 Milliarden € gemeldet sind! – Gegenruf Michael Hübner [SPD]: Sie wissen doch ganz genau, dass Sie dazu keine Anträge stellen können! – Gegenruf von der CDU: Das geht so nicht!)

Wir haben auf unserer Reise den estnischen CIO getroffen. Ich habe ihn genau danach gefragt, ob er vor dem Hintergrund der estnischen Erfahrungen empfiehlt, eine solche Strategie zu schreiben. Er hat das verneint und empfohlen, dass man Digitalisierung in den unterschiedlichen Ressorts wachsen lässt und das dann zusammenführt. So machen wir es bei uns auch: bei Garrelt Duin die Förderung der digitalen Wirtschaft, bei Ralf Jäger Open.NRW, bei Sylvia Löhrmann die diversen Auszeichnungen für die Medienkompetenzprojekte aus Nordrhein-Westfalen.

Diese Landesregierung muss sich da nicht verstecken, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Meine Damen und Herren von der CDU, wir haben eben schon einiges gehört. Die Einzelpunkte Ihres Antrags bestehen auch im Wesentlichen aus Substanzlosem und aus Selbstverständlichkeiten.

Dass Datenschutz und Datensicherheit beachtet werden sollten, Herr Stein, sollten Sie mal Ihren Kollegen im Innenausschuss sagen! Da hören wir regelmäßig anderes. Da werden Sie nur verwunderte Blicke ernten.

Auch der Satz, man solle Digitalisierung nicht als Bedrohung, sondern als strategische Chance begreifen – ich habe mich ja gefreut, so etwas mal in einem CDU-Papier zu lesen –, ist doch nur Gerede von Ihnen. Sie, Herr Stein, haben hier vor Wochen noch eine vollständige Überwachung der Inhalte des Internets gefordert. Technisch völlig irre! Grundrechtlich völlig unvertretbar! Das haben Sie hier gefordert. Gestern noch hat der Kollege Sternberg hier die Schuld für das Erstarken des Rechtsextremismus allein beim Internet abgeladen. Die Digitalisierung ist Ihnen zutiefst suspekt, während wir sie schon lange gestalten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Entwurf für ein E-Government-Gesetz – der Kollege van den Berg hat eben schon einige Stellungnahmen aus der Anhörung hier referiert – hat breite Zustimmung gefunden. Prof. Roßnagel hat ihn als vorbildlich für alle anderen Länder bezeichnet. Das war übrigens ein Sachverständiger, den weder die SPD benannt hat noch haben wir den benannt. Er hat ihn als vorbildlich für die anderen Länder bezeichnet.

Das Gesetz geht deutlich über das hinaus, was der Bund in sein Gesetz geschrieben hat. Wir machen es da besser. Wir werden in Nordrhein-Westfalen auch deutlich schneller sein, was die elektronische Prozessoptimierung angeht.

Wir werden natürlich auch die E-Akte einführen. Was ist denn das für eine Forderung? Wir werden natürlich die E-Akte einführen und wir wissen jetzt schon, dass der Bund das in dem von ihm vorgegebenen Zeitraum nicht hinbekommen wird.

Wir lassen uns von Ihnen nicht sagen, wie Digitalisierung geht. Denn Sie sind offline, während wir den digitalen Wandel für Nordrhein-Westfalen schon längst gestalten. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

 

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