Rede zum Ladenöffnungsgesetz

Plenarrede zum Antrag der FDP-Fraktion „Mehr Freiheit und weniger Bürokratie bei Ladenöffnungszeiten am Sonntag“ am 6. Juli 2016.

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche hat die FDP bei ihrem Sommerfest versucht, sich als coole Start-up-Truppe zu präsentieren. Wer jetzt Angst hatte, dass die Kollegen Brockes und Bombis jetzt mit Vollbart und Hipster-Brille hier auftauchen, dem sei dann dieser Antrag empfohlen, denn er ist doch wieder ein Griff in die ganz tiefe ideologische Mottenkiste.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

– Das passiert mir kein zweites Mal, lieber Kollege.

Es ist ein Irrglaube zu unterstellen, wenn man die Öffnungszeiten möglichst weit frei gibt, dann kaufen die Leute mehr ein. Das passiert mit Sicherheit nicht. Was aber passieren wird – da muss ich ein Stück weit den Kollegen Hovenjürgen aufgreifen –, sind Auswirkungen auf die Kleinhändler in den Nebenzentren, die können nämlich so eine uneingeschränkte Sonntagsöffnung nicht leisten. Insofern wird das, was die FDP hier fordert, zu Lasten der kleinen Händler gehen. Die sind es aber, die gerade unsere Städte, die gerade die Nebenzentren lebenswert und attraktiv halten. Und das können Sie nicht einfach so wegwischen.

Sie können auch nicht einfach so wegwischen – das hat Herr Kollege Bell gerade schon sehr gut dargelegt –, dass wir mit unserer geltenden Gesetzeslage klar der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgen. Ich muss jetzt nicht bis tief in die Weimarer Reichsverfassung zurückgehen. Es ist gerade schon dargelegt worden, dass es klare Kriterien an die Sonntagsöffnung gibt, wie und wann Sonntagsöffnung erfolgen darf. Deshalb ist dieser Anlassbezug, wie er bei uns im Gesetz steht, so richtig und so wichtig.

Es ist auch falsch, was die beiden Kollegen von FDP und CDU unterstellt haben, dass es keine Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort gebe. Das Gegenteil ist doch der Fall: Vor Ort wird gestaltet, vor Ort wird in einem klaren rechtlichen Rahmen gestaltet. Und das ist auch die richtige Aufgabenteilung.

Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dass es ausgerechnet diese Geschichte ist, die Sie immer wieder aufrühren – neben den Ladenöffnungszeiten gibt es dann noch das Tariftreue- und Vergabegesetz –, dass das die einzigen Punkte auf Ihrer Agenda sind, meine Damen und Herren, das ist ein Stück weit schon ein wirtschaftspolitischer Offenbarungseid. Sie beschäftigen sich nicht mit den Fragen, die vor Ort tatsächlich eine Rolle spielen. Sie beschäftigen sich nicht mit der Frage Digitalisierung, Verknüpfung Online- und Offline-Handel.

(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Sie beschäftigen sich nicht mit Immobilien und Standortgemeinschaften, die den lokalen Handel stärken können. Sie ignorieren, dass wir mit dem Teilplan zum LEP die Innenstädte stärken. Das zeigt alles nur, dass Sie keine Ideen und keine Konzepte für den Einzelhandel haben. Das zeigt auch, dass Sie gar nicht bereit sind, sich mit den tatsächlichen Fragen zu beschäftigen, die sich den Einzelhändlern und Einzelhändlerinnen gegenwärtig stellen.

Nur ein Beispiel, meine Damen und Herren, das wir vor kurzem im Wirtschaftsausschuss erörtert haben: Nach wie vor hat der Handel gute Zahlen, wenn man sich die aktuellen Zahlen des Handelsverbandes anschaut. Der Handelsverband verzeichnet für NRW ein nominales Umsatzplus von 4,3 Prozent, einen Anstieg der Beschäftigtenzahl um 1,2 Prozent. So schlimm und so dramatisch kann es also gar nicht sein.

In diesen Zahlen eingerechnet sind aber auch Zahlen aus dem Online- Geschäft, nicht alleine des stationären Einzelhandels. Ich bin als Internetenthusiast höchst wahrscheinlich der letzte, der den Online- Handel verteufelt. Aber das zeigt doch auch, dass es große Herausforderungen für den stationären Einzelhandel gibt, denen wir auch begegnen wollen.

Deshalb haben wir in der letzten Woche unsere Modellprojekte zur Verknüpfung von stationärem und Online-Einzelhandel auf den Weg gebracht. Das sind die Themen, die tatsächlich für die Zukunft des Einzelhandels Vorsorge treffen. Das wird auch von HDE-Zahlen unterlegt – positive Entwicklung im E-Commerce: Knapp 70 % der Multi-Channel-Händler erwarten steigende Umsätze für ihre Online-Shops und Marktplatzaktivitäten. Das zeigt mir, dass wir mit dieser Initiative auf einem richtigen Weg sind und dass die Einzelhändlerinnen und Einzelhändler vor Ort tatsächlich andere Fragen haben als das, was Sie hier, immer ideologisch aufgeladen, präsentieren.

Der Handel in Nordrhein-Westfalen ist gut aufgestellt. Wir unterstützen den Handel dabei, sich für die Zukunft zu wappnen. Das zeigt auch, dass wir ein gutes Gesetz im Jahr 2013 beschlossen haben, ein Gesetz, das in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz stößt, weil es ein Gesetz ist, dass den Interessensausgleich schafft, dass den Handel stärkt, dass der Gesellschaft ihre Ruhezonen bringt, dass die Beschäftigen im Einzelhandel in den Blick nimmt.

Ich glaube, wir haben damit einen guten Ausgleich geschaffen, der in der schwarz-gelben Novelle damals eben nicht gelungen ist. Und weil man ein gutes Gesetz nicht ändern muss, werden wir Ihren Antrag vermutlich am Ende ablehnen, auch wenn wir ihn jetzt natürlich noch gerne in den Ausschuss überweisen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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