Rede zur Reform der Videoüberwachung

Rede zum Antrag der Piratenfraktion „Aktionistischer Symbolpolitik entgegentreten – Schranken für private Videoüberwachung bewahren“ im Plenum am 16.2.2017

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mir ging es, als ich den Antrag der Piratenfraktion gelesen und bearbeitet habe, ähnlich wie dem Kollegen Stotko, der sich auch gefragt hat: Was sind denn eigentlich die konkreten Forderungen dieses Antrags? Ich kann erst einmal aus grüner Sicht sagen: Die Überschrift ist gut. Dass wir uns für Datenschutz einsetzen sollen, finden wir auch ganz okay. Das machen wir seit sieben Jahren sehr konsequent. Insofern arbeiten wir genau an dem, was Sie uns da aufgeschrieben haben. Eine wirklich konkrete Forderung daraus abzuleiten, ist aber ein bisschen schwierig.

Sie haben in Ihrem Redebeitrag das sogenannte Videoüberwachungsverbesserungsgesetz angesprochen. Wir wissen nicht, was am Ende des Gesetzgebungsprozesses auf der Bundesebene dabei herauskommen mag.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Die Landesregierung hat sich schon dazu verhalten im Bundesrat! Das wissen wir!)

Der erste Durchgang war letzte Woche im Bundesrat. Wir Grüne – das hat sich auch in der ersten Runde im Bundesrat ja schon gezeigt – nehmen die kritischen Anmerkungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, die sie ja in den letzten Monaten immer wieder vorgebracht haben, sehr, sehr ernst. Der Ball liegt jetzt im Deutschen Bundestag. Ich bin mir sehr sicher, dass die Grünen-Bundestagsfraktion diese Bedenken dann auch in den Gesetzgebungsprozess sehr, sehr intensiv einbringen wird.

(Zuruf von Frank Herrmann [PIRATEN])

– Ja, Herr Herrmann, hören Sie mir mal zu. Wir haben unsere Möglichkeiten ja schon genutzt. Letzten Freitag im Bundesrat hat Nordrhein-Westfalen einen Antrag unterstützt. Der kam aus dem Rechtsausschuss aus Hamburg. Hamburg hat einen grünen Justizsenator. Dieser Antrag setzte sich durchaus kritisch mit dem Vorhaben des Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes auseinander und hat da auch eine Initiative gestartet, die wirklich problematischen Stellen, wo wir inhaltlich doch durchaus beieinander sind, ein Stück weit wenigstens zu entschärfen, soweit das in diesem Setting Bundesrat möglich ist. Denn inhaltlich ist es tatsächlich durchaus ein schwieriges Vorhaben, das die Bundesregierung da auf den Weg gebracht hat.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Ach! Jetzt doch!)

Ich finde es, ehrlich gesagt, ein bisschen anstrengend, lieber Kollege Herrmann, wie Sie die verschiedenen Sachverhalte – auch in Ihrem Antrag im Übrigen – immer wieder in einer völlig unzulässigen Art und Weise vermischen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn es ist ja tatsächlich so – das sehe ich ganz genauso wie Sie –, dass wir bei der Videoüberwachung durch Private, bei der Videoüberwachung im Rahmen von § 6b Bundesdatenschutzgesetz durchaus in den letzten Jahren eine schwierige Tendenz hatten. Gerade dann ist es aber aus meiner Sicht total falsch und total unzulässig, immer auf die zunehmende Videoüberwachung beim ÖPNV beispielsweise und auf die Bodycams zu verweisen. Das steht bei Ihnen im Antrag.

Gucken Sie sich mal an, wie die Videoüberwachung auf Basis von § 6b BDSG in den letzten Jahren ausgeufert ist und wie maßvoll Videotechnik bei der nordrhein-westfälischen Polizei eingesetzt wird! Das zeigt: Sie haben eine völlig verzerrte Wahrnehmung von dem, was Rot-Grün in den letzten Jahren hier gemacht hat.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich teile durchaus das, was die Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragten vorgebracht haben, dass es schwierig ist, diesen Abwägungsprozess jetzt um eine weitere Dimension zu erweitern. Wir haben in § 6b Bundesdatenschutzgesetz einen Abwägungsprozess, der eigentlich bisher immer von dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung dominiert war. Jetzt droht die Gefahr – wie gesagt, wir wissen nicht, was am Ende herauskommen wird –, dass diese Dimension aufgeweicht wird. Da haben wir tatsächlich eine Schwierigkeit.

So. – Was haben wir gemacht?

Vizepräsident Dr. Gerhard Papke: Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Herrmann zulassen?

Matthi Bolte (GRÜNE): Gerne.

Frank Herrmann (PIRATEN): Vielen Dank, Herr Kollege Bolte, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Können Sie nachvollziehen, dass wir ein Problem damit haben, dass im neuen Bundesdatenschutzgesetz nichts von den bisherigen Regelungen zur Videoüberwachung wiederzufinden ist? Sie haben ja gerade auch Probleme beim Videoüberwachungsverbesserungsgesetz entdeckt. Es wird einfach das Endergebnis dieses Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes als neuer Tatbestand festgestellt, das heißt, die Wichtigkeit. Das ist das Neue im Gesetzgebungsverfahren. Nichts von der Vorgeschichte ist mehr enthalten. Können Sie nachvollziehen, dass wir damit ein Problem haben?

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Kollege Herrmann, ich kann nicht alle Probleme nachvollziehen, die Sie haben.

(Heiterkeit – Frank Herrmann [PIRATEN]: Das wäre doch mal eine schöne Antwort gewesen!)

Fachlich und inhaltlich kann ich mir das hier durchaus vorstellen. Aber erstens wissen wir nicht, was am Ende bei dem Gesetzgebungsverfahren herauskommen wird.

(Frank Herrmann [PIRATEN]: Das kommt ja auf Sie an! Deswegen haben wir den Antrag gestellt!)

Zweitens haben wir es hier mit einem Antrag zu tun, der sich mit diesen Fragen eigentlich nicht in der gebotenen Art und Weise auseinandersetzt, weil da im Prinzip nur drin steht: Datenschutz ist irgendwie auch wichtig. – Da muss man sich sehr konkret anschauen: Was dient eigentlich dem Datenschutz?

Sie haben eben in Ihrem Wortbeitrag ja die Datenschutzbehörden angesprochen, denen ja eine Aufsichtsfunktion zukommt. Da muss man sich dann einfach angucken: Wer hat denn in den letzten Jahren immer wieder den Datenschutz und die Landesdatenschutzbeauftragte in ihrer Funktion, in ihrer Arbeit gestärkt? – Das waren wir. Wir haben da für einen erheblichen Stellenaufwuchs gesorgt.

Das ist kein Ergebnis, das Frank Herrmann herbeigezaubert hat, sondern das ist eine Tatsache, die sich durch die ganzen sieben Jahre rot-grüner Regierungszeit durchgezogen hat, weil wir wissen, dass die Landesdatenschutzbeauftragte und ihre Behörde eine extrem wichtige Arbeit machen. Deshalb haben wir da für einen massiven Stellenaufwuchs gesorgt. Die Vorgängerregierung – daran darf ich noch einmal erinnern – hat da Stellen zusammengestrichen. Wir haben dafür gesorgt, dass dieses Streichkonzert nicht nur beendet wurde, sondern wir haben einen massiven Stellenaufwuchs geschaffen, weil wir eben aus den Beratungen auch wissen, dass die Videoüberwachung ein viel nachgefragtes Thema ist. Das ist ein wirklich konkreter Gewinn für den Datenschutz, der auch nicht in Berlin passiert, sondern der hier bei uns in Nordrhein-Westfalen stattfindet.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, lieber Kollege Herrmann – als letzter Satz –, brauchen wir auch keine Studie. Dass wir diese wichtige Behörde in ihrer wichtigen Funktion stärken mussten, das haben wir ganz alleine herausgefunden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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