Worthülsen first, Digitalisierung second

Entgegnung auf die „Kleine Regierungserklärung“ im Ausschuss für Digitalisierung und Innovation am 23.11.2017

Anrede,

Vielen Dank für die Kleine Regierungserklärung. Sie zeigt: Bei allen großen Ankündigungen von CDU und FDP im Landtagswahlkampf ist die Landesregierung schon jetzt im Regierungsalltag gelandet. Digitalisierung ist nicht das Leitthema Ihrer Regierung, sondern eine Sammlung administrativer Einzelprojekte. Das ist zu wenig.

Schauen wir uns die einzelnen Punkte an.

Digitale Infrastruktur

Die Landesregierung hat jede Unterstützung von uns beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. Sie ist die Lebensader für den wirtschaftlichen Wandel und einen zukunftsfähigen Standort NRW im digitalen Zeitalter.

Wir haben 2012 beschlossen, bis 2018 einen flächendeckenden Breitbandausbau mit 50 Mbit/s zu erreichen. Die Zahlen und Prognosen belegen, dass wir bei Abschluss aller jetzt bewilligten Ausbauprojekte im Bereich der Vollabdeckung liegen werden. Es war richtig, diesen Zwischenschritt einzulegen. Für die Zukunft brauchen wir aber eine Strategie, mit der wir zu einer flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser bis 2025 kommen. Dieses Ziel hatten wir mit der rot-grünen Landesregierung, und die neue Landesregierung hat unsere Unterstützung, wenn sie es fortsetzt.

Dabei darf es aber nicht bei Absichtsbekundungen bleiben. Die Landesregierung ist stark in der Überschrift: Glasfaser first! Sie plant Investitionen von 7 Milliarden Euro in den Infrastrukturausbau. Bislang fehlen jegliche Hinweise darauf, wie diese zustande kommen sollen. Gleiches bei der Förderung von Breitbandausbau in Gewerbegebieten durch EFRE-Mittel. Das wurde von FDP und CDU mit unendlicher Ausdauer gefordert – jetzt ist keine Rede mehr davon.

WLAN-Ausbau

Beim Ausbau offener WLAN-Zugänge werden Sie frech: „Mit der landesweiten Förderung von flächendeckenenden Gigabit-Netzen und dem Ausbau offener WLAN-Zugänge werden zum ersten Mal die unverzichtbaren Rahmenbedingungen hierfür geschaffen“. Wer sowas sagt, hat entweder keine Ahnung oder verkennt komplett den Einsatz von rot-grün für den WLAN-Ausbau.

Wir haben mit dem Land NRW die Lösung der Haftungsfrage immer wieder in Berlin vorangebracht. Wir haben für die Gemeinnützigkeit gekämpft. Wir haben Freifunk gefördert und wir haben erstmals 1 Mio. Euro in den Ausbau der WLAN-Infrastruktur investiert.

Insgesamt geht es bei der Infrastruktur voran, ja. Aber es sind maximal Trippelschritte, die Kilometer von dem entfernt sind, was CDU und FDP im Wahlkampf an Erwartungen geweckt haben.

Digitale Verwaltung

Auch bei der digitalen Verwaltung nicht viel Neues. Substanziell bleibt, dass Sie eine Frist im E-Government Gesetz vorziehen. Wie konkret aus 2025 statt 2031 zur Zielmarke für die elektronische Prozessoptimierung werden soll, wie Sie die Beschäftigten mitnehmen wollen, wie diese Schritte finanziert werden sollen – überall bleiben Sie bei Ankündigungen und im Ungefähren.

Die digitale Musterregion in OWL ist aus unserer Sicht grundsätzlich zu begrüßen, denn sie ist eine logische Fortsetzung unserer bisherigen Aktivitäten zur Digitalisierung der Verwaltung. Aber auch da fehlt die nähere Ausgestaltung. Die Landesregierung hat außer der Modellregion nichts vor beim kommunalen E-Government.

Mit der Modellregion haben Sie allenfalls einen Plan für drei Kommunen, einen Kreis und eine Bezirksregierung. Dann sind aber noch 393 Kommunen, 30 Kreise und vier Bezirksregierungen übrig. Nur weil man einen Plan für 3 Kommunen hat, entbindet das eine Landesregierung nicht von der Pflicht, einen Plan für 396 Kommunen zu haben. Es wäre aus unserer Sicht richtig, Schritt für Schritt das E-Government Gesetz auch auf die Kommunen auszuweiten. Dazu kein Wort von der Landesregierung.

Noch schlimmer: Es gibt keine Impulse bei Transparenz. Die digitale Demokratie muss Thema für die Landesregierung werden! Sie dürfen nicht bei einem Open Data Gesetz mit den völlig unzureichenden Standards des Bundes stehen bleiben.

Digitale Wirtschaft

Die meisten Maßnahmen zur Förderung der digitalen Wirtschaft sind Fortsetzungen der rot-grünen Strategie für die digitale Wirtschaft.

Wir freuen uns, dass der Minister inzwischen vom Konzept der DWNRW-Hubs überzeugt ist. Die Hubs leisten als Drehscheibe zwischen innovativen Startups und etabliertem Mittelstand einen großartigen Beitrag zu einer der größten Herausforderungen der digitalen Wirtschaft. Wir haben die anerkennenden Worte von Staatssekretär Dammermann über unsere Strategie beim DWNRW Summit zur Kenntnis genommen – danke, ein sehr fairer Move.

Ansonsten ist interessant, was in der Kleinen Regierungserklärung fehlt: die „Exzellenz-Startup-Center“ ebenso wie die Gründerstipendien. Das liegt vermutlich am fehlenden Konzept.

Zum digitalen Handwerk. Ich war selbst Teil der Enquete-Kommission zur Zukunft von Handwerk und Mittelstand. Obwohl das Handwerk mehr als 188.000 Betriebe umfasst und einen enormen Digitalisierungsbedarf hat, war dieses Thema dem Minister nicht mehr als ein Stichwort wert. Keine konkreten Angaben, wie genau die Förderung aussehen soll. Die Handwerksinitiative weiterzuentwickeln ist gut, aber reicht nicht. Wir haben in der Kommission konkrete Vorschläge für die einzelbetriebliche Förderung gemacht, insbesondere mit Blick auf Datenschutz/Datensicherheit und auch auf die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Das alles fehlt in der kleinen Regierungserklärung.

 Zur Herausforderung des stationären Einzelhandels durch den E-Commerce fällt der Landesregierung auch nichts ein – bis auf die arbeitnehmerfeindliche Ausweitung der Ladenöffnungszeiten. Den analogen Handel durch analoge Maßnahmen ins digitale Zeitalter führen? Das wird nichts. Die Weiterführung des (bereits bestehenden) eCommerce Tags NRW und der Ausbau unseres Förderprogramms „Verknüpfung von stationärem und Online-Handel“ sind schön, aber es gibt keine weiteren Impulse, also nichts, was der neuen Landesregierung selber einfällt, um den Einzelhandel zu unterstützen. Dann kann unsere Arbeit ja nicht so schlecht gewesen sein.

Bei Arbeit 4.0 schließlich fällt der Regierung außer blumigen Worten zu Datenschutz und Datensicherheit nicht viel mehr ein. Konkrete Handlungsansätze sind vielmehr die bereits bestehenden Instrumente der alten Landesregierung.

Insgesamt sehen wir an den meisten Stellen die Fortsetzung der rot-grünen Programme. Das freut uns, aber eine Regierung, die mit so großen Ansprüchen gestartet ist wie Schwarz-Gelb, sollte auch eigene Ideen haben. Gibt es bei Ihnen aber nicht.

Innovation:

Im Bereich Innovation haben wir vom Innovationsminister keine Innovationen gehört. Sie haben freundlich die Stichworte aus dem Koalitionsvertrag abgespult, aber wir fragen uns natürlich, wie die Abstimmung zwischen dem Wissenschafts- und dem Innovationsministerium denn nun genau laufen soll.

Nicht Innovation selbst, aber die Innovationsförderung braucht einen politischen Rahmen. Sie haben in Ihrer Kleinen Regierungserklärung nicht klargemacht, um welche Themen Sie sich kümmern wollen, welche Prioritäten Sie bei der Innovationsförderung haben. Die Wissenschaftsministerin weiß das auch nicht. Das schafft schlimmstenfalls Verunsicherung in den Hochschulen und den kooperierenden Betrieben. Kooperationen zwischen Ministerien sind gut, aber man muss auch wissen, wer der wesentliche Ansprechpartner und Initiator von Maßnahmen ist.

Fazit

Worthülsen first, Digitalisierung second. Ich hoffe, dabei bleibt es nicht!

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