Rede zum Landeshaushalt: Digitalisierung

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Braun, so richtig artig können Sie ja nicht gewesen sein, wenn der Weihnachtsmann Minister Pinkwart diesen Haushalt als Weihnachtsgeschenk mitbringt. Denn wenn man sich einmal ansieht, wie groß die Ansprüche aus der schwarz-gelben Oppositionszeit waren und was daraus geworden ist, was jetzt in der Digitalpolitik von Schwarz-Gelb übrig geblieben ist, dann stellt man fest: Das ist gescheitert. Schwarz-Gelb ist nicht die Koalition, mit der NRW digitaler wird.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das liegt eben nicht daran, dass Sie nicht konnten, sondern das liegt daran, dass Sie nicht wollten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: So ist das!)

Sie haben in diesem Haushalt nicht den Schwerpunkt gelegt, von dem Sie gerade gesprochen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schauen wir uns das im Einzelnen an: digitale Infrastruktur. Wenn es nach den Ankündigungen von CDU und FDP gegangen wäre, dann wären wir zwei Tage nach dem Regierungswechsel bei Glasfaser bis auf jeden Bauernhof gewesen. Es gibt jetzt eine moderate Verbesserung bei der Kofinanzierung. Das stelle ich überhaupt nicht infrage. Wir werden auch, wenn alles durch ist, was an Projekten bewilligt wurde, bei 50 MBit/s deutlich über 90 % liegen.

Wir waren nicht nur in den letzten Jahren immer schon an der Spitze, wir sind auch beim Zuwachs an der Spitze. Beim Zuwachs liegen wir deutlich vor Bayern. Auch das ist eine Frage, die uns in den letzten Jahren immer beschäftigt hat.

Sie haben bisher immer nur die von Rot-Grün bezahlten Förderbescheide herausgegeben. (Horst Becker [GRÜNE]: So ist das!)

Auch mit Ihrer Erhöhung setzen Sie keine eigenen Akzente. Das muss man sich vor Augen führen.

Bei uns war immer klar: Jeder Antrag, der nach dem Bundesprogramm finanzierbar und bewilligungsfähig ist, der wird auch vom Land kofinanziert. Das machen Sie jetzt weiter. Das ist in Ordnung, aber das ist nicht Digital Leadership. Das ist digitaler Dienst nach Vorschrift, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD]) Auf Ihren anderen Baustellen sieht es doch nicht anders aus.

Was haben wir in diesem Landtag über EFRE-Mittel für den Breitbandausbau in Gewerbegebieten gestritten? Das wurde von CDU und FDP mit einer unendlichen Ausdauer gefordert. Jetzt ist keine Rede mehr davon. Sie wollen 7 Milliarden € in die Infrastruktur für den Glasfaserausbau investieren, aber es fehlen immer noch jegliche Hinweise darauf, wie Sie das machen wollen.

Eines ist klar, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der FDP: Die mehr als 10 Milliarden €, die in den Jamaika-Verhandlungen schon geeint waren, waren der FDP offensichtlich nicht wichtig genug.

(Beifall von den GRÜNEN)

Jetzt werden wir darauf warten, was aus Berlin kommt. Sie haben die Möglichkeiten, die es dort gab, nicht genutzt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Auch bei der digitalen Verwaltung gibt es wenige Neuigkeiten. Eine Frist im E-GovernmentGesetz soll nach vorne gezogen werden – schön und gut; digitale Modellregionen – schön und gut. Aber wie das konkret aussehen soll, wie Sie die Zielmarken für die digitale Prozessoptimierung nach vorne ziehen wollen, wie Sie die Beschäftigten in diesem Prozess mitnehmen wollen, wie diese Schritte finanziert werden sollen, dazu gibt es von Ihnen keine Aussagen. Sie müssen sich gefallen lassen, dass wir Sie darauf hinweisen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Überall bleibt die Landesregierung bei Ankündigungen und im Ungefähren. Es ist aus meiner Sicht schändlich, dass Sie keine Impulse bei der Transparenz setzen. Die digitale Demokratie müsste ein Leitthema für eine Landesregierung sein, die sich die Digitalisierung auf die Fahnen schreibt. Es darf keinen Stillstand bei Open Data geben, aber genau auf dem Weg sind Sie, wenn Sie nur das Open-Data-Gesetz des Bundes mit seinen völlig unzureichenden Standards in Landesrecht umsetzen wollen.

Zur digitalen Wirtschaft ist schon einiges bemerkt worden. Die schwarz-gelbe Bilanz: In Ordnung ist die Fortsetzung rot-grüner Projekte und rot-grüner Strategie. Wir freuen uns, dass Minister Pinkwart inzwischen vom Konzept der DWNRW-Hubs überzeugt ist. Herr Minister, führen Sie das bitte weiter – diese Struktur brauchen wir, und sie ist gut –, nicht nur im nächsten und übernächsten Jahr, sondern auch über den ersten Projektzeitraum hinaus. Die Linie, die Sie anlegen, hilft aber Gründern nicht. Gründer brauchen keine schwarz-gelbe Ideologie, sondern sie brauchen konkrete Maßnahmen zur Unterstützung. Ich finde, dass es Gründerinnen und Gründer in diesem Land nicht verdient haben, immer wieder als Begründung für Ihre neoliberale Privat-vor-Staat-Ideologie herangezogen zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum letzten Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zu den Herausforderungen des stationären Einzelhandels durch den E-Commerce fällt der Landesregierung bis auf eine arbeitnehmerfeindliche Ausweitung der Ladenöffnungszeiten nichts ein. Den analogen Handel kann man aber nicht durch analoge Maßnahmen retten. Das wird nichts. Sie sagen nichts dazu, wie Sie diesen Bereich weiterentwickeln wollen.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Fazit: Ein bisschen gut gemeint ist noch nicht gut gemacht. Wo „Gründer“ draufsteht, ist „Privat vor Staat“ drin. Die Digitalisierung ändert alles, aber Sie wollen Ihre Politik nicht ändern. Unsere Unterstützung dürfen Sie dafür nicht erwarten.

(Beifall von den GRÜNEN)

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