Datenschutzgesetz ohne Datenschutz

Heute behandelt der Landtag das Datenschutzanpassungsgesetz, mit dem das Landesrecht an die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung angepasst wird.

Das Gesetzgebungsverfahren musste in größter Eile durchgeführt werden, von der Einbringung bis zur Verabschiedung vergingen etwa zwei Monate. Wir haben durchaus Verständnis für die Fleißarbeit die darin steckt, den kompletten Bestand des Landesrechts auf Anpassungsbedarf hinsichtlich der DSGVO zu überprüfen. Aber: Dieses Gesetzgebungsverfahren wird dem wichtigen Anliegen in keinster Weise gerecht! Die Landesregierung hat 10 Monate (von Mai bis Februar) ins Land gehen lassen, bis sie sich zur Einbringung eines Gesetzentwurfs bequemt hat.

Am beschlossenen Gesetz haben wir inhaltlich drei große Kritikpunkte: Die erschütternde Ambitionslosigkeit von Schwarz-Gelb, die  Schwächung der Datenschutzaufsicht und des Grundrechtsschutzes sowie eine uferlose und völlig unverhältnismäßige Ausweitung der Videoüberwachung.

Die Europäische Datenschutzreform ist ein Quantensprung für den Schutz der Privatsphäre. Die Landesregierung nimmt aber diesen Impuls nicht auf, sondern senkt das Datenschutzniveau insgesamt deutlich ab. Das haben im Einzelnen auch zahlreiche Sachverständige in der Anhörung im Landtag bestätigt. Der Europäische Verordnungsgeber hat den nationalen Gesetzgebern Öffnungsklauseln zur Ausgestaltung gegeben. Die Landesregierung nutzt keine einzige davon zur Stärkung des Datenschutzes. Wohl aber nutzt sie jeden Korridor, um den Datenschutz zu verschlechtern und Freiheitsrechte einzuschränken. Der Gesetzentwurf nimmt innovative und für die Bürgerinnen und Bürger wichtige Impulse der DSGVO nicht auf. So liefert er beispielsweise keine konkreten Vorgaben zur datenschutzkonformen Systemgestaltung und zu datenschutzgerechten Voreinstellungen (Privacy by Design/Default).

Noch schlimmer wird es, wenn man sich die konkreten Konsequenzen des Datenschutzgesetzes anschaut. Es findet eine erhebliche Schwächung der Datenschutzaufsicht und des Grundrechtsschutzes statt. Durch eine Senkung des Datenschutzniveaus bei gleichzeitiger Schwächung der Datenschutzaufsicht betreibt die schwarz-gelbe Landesregierung gleich einen doppelten Raubbau an den Freiheitsrechten der Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen.

Die Datenschutzbeauftragte wird in einem besonders sensiblen Bereich geschwächt: Sie darf künftig keine Kontrollen des Datenschutzes bei Berufsgeheimnisträgern mehr vornehmen. Dabei müsste gerade hier ein hoher Anspruch an Datenschutz gelten – und es gibt nicht wenige Fälle, wo Patientenakten verschwinden oder zumindest offen in der Praxis rumliegen. Im Bereich des Verfassungsschutzes werden Beschwerdewege verbaut, die dringend erforderlich sind – weil Verfassungsschutz nur dann funktioniert, wenn ihm die Bürger*innen vertrauen. Und auch ganz allgemein zeigt sich immer wieder, wie wenig sich CDU und FDP für unsere Freiheitsrechte interessieren, denn an zahlreichen Stellen ist bei Grundrechtseingriffen keine Einzelfallabwägung mehr vorgesehen.

Das Schlimmste an dieser Neuregelung kommt in § 20: Die Videoüberwachung. Die vorgeschlagene Neuregelung ist unverhältnismäßig und uferlos. Die neu aufgenommenen Überwachungszwecke sind zu weit und zu unbestimmt gefasst, um eine verfassungsgemäße Grundlage darstellen zu können. Nicht nur beim Polizeigesetz, auch hier werden am Ende Verfassungsrichter*innen urteilen müssen.

Im Ergebnis wird die Ausweitung der Befugnisse in der Praxis zu mehr Videoüberwachung führen: Die flächendeckende Videoüberwachung von Menschen in Parks, Freibädern oder an Badeseen, auf Straßen oder öffentlichen Plätzen ebenso wie auf Marktplätzen, Promenaden, in Fußgängerzonen oder auf Fahrradwegen soll nach Schwarz-Gelb möglich sein. Zahllose unbescholtene Bürgerinnen und Bürger werden in ihrer Freiheit eingeschränkt. Die große Streubreite der Videoüberwachung und die rasant fortschreitenden technischen Entwicklung wie etwa im Bereich von Gesichtserkennungssoftware, für die immer ausgefeilter Produkte entstehen, wird die Ausweitung der Videobeobachtung unweigerlich zu negativen Folgen für das gesellschaftliche Klima insgesamt führen. Die vorgesehene Speicherfrist von vier Wochen für Videoaufzeichnungen ist völlig unverhältnismäßig.

Fazit

Schwarz-Gelb macht ein Datenschutzgesetz ohne Datenschutz. CDU und FDP vergeben die Chance, an diesem historischen Wendepunkt für den Datenschutz auch einen Impuls in NRW zu setzen. Die vermeintliche Bürgerrechtspartei FDP ist mal wieder im Tiefschlaf. Entweder hat man sie über den Tisch gezogen. Oder die Liberalen haben das aus Überzeugung mitgemacht, dann sollten sie sich schämen. Es ist nicht liberal, mit Videokameras Wildpinkler zu jagen. Das ist billigste Law-and-Order-Symbolpolitik.

Unsere Initiativen zum Gesetzentwurf der Landesregierung:

 

 

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