Ratsrede: Auswirkungen des Kinderbildungsgesetzes auf die Stadt Bielefeld

Rede im Rat der Stadt Bielefeld, Juni 2007

 

Herr Oberbürgermeister! Meine Damen und Herren!

 

Jetzt haben wir die Fakten auf dem Tisch. Und man sieht ganz deutlich: Das Jahr des Kindes in Düsseldorf ist vorbei. Anders lässt sich die Auswertung des Kibiz nicht kommentieren.

 

Die Verwaltung hat in den vier Wochen seit der letzten Sitzung einen ausführlichen und fundierten Bericht erstellt, für den ich mich hier herzlich bedanken möchte. Was dieser Bericht zeigt, ist aber weniger erfreulich. Nicht mehr nur die Opposition im Landtag hat begriffen, dass das Kibiz für die Städte und Gemeinden unseres Landes zahlreiche negative Auswirkungen hat. Auch die Bielefelder Verwaltung legt uns heute die abgestimmte Position vor, deren Inhalt in der letzten Sitzung des Rates noch von der CDU geleugnet wurde.

 

Ich gebe zu: Der vorliegende Regierungsentwurf des Gesetzes ist noch nicht beschlossene Sache. Das heißt aber auch: Das Kind ist noch nicht in den Brunnen gefallen – das ist wortwörtlich zu verstehen.

 

Kinderfreundliche Politik bedeutet Klasse und Masse. Bei der Masse versucht das Land zumindest in Teilbereichen noch zu agieren, bei der Klasse sieht es ganz finster aus. Problematischster Punkt ist der Abbau pädagogischer Standards: gerade für Kinder unter 3 Jahren wird künftig weniger Betreuungspersonal zur Verfügung stehen, als in der bisherigen kleinen altersgemischten Gruppe. Dass der landesseitig geplante Ausbau vornehmlich durch Tagespflege geschehen soll, ist ein bewusster Verzicht auf hohe Standards und missachtet die Bedarfe der Eltern.

Es werden keine Höchstkinderzahlen für die Gruppen festgelegt, die Gruppen können grenzenlos „vollgestopft“ werden, um mehr öffentliche Zuschüsse über den Zuschlag bei Überschreitung der Gruppengrößen zu erlangen. Das ist schlichtweg ein kapitaler Fehler im System, der missbrauchsanfällig ist und schließlich nur Nachteile für die Kinder bringt.

 

Die Landesregierung beabsichtigt darüber hinaus die quantitative Absenkung des Angebotes bei der Tagesbetreuung. In Bielefeld waren wir uns bislang einig, dass diese ein gutes und wichtiges Angebot ist. In Düsseldorf scheint man das noch nicht begriffen zu haben, sonst würde das Kontingent nicht auf eine Quote von 25% begrenzt, während wir in Bielefeld versuchen, eine Quote von 50% zu erreichen.

 

Einige Versuche, die negativen Auswirkungen des Kibiz in den Griff zu bekommen, gibt es. Leider sind sie nicht von Erfolg gekrönt. So ist die Sprachförderung aufgenommen und ist immerhin der Versuch, den Namen „Kinderbildungsgesetz“ noch irgendwie zu rechtfertigen. Die vorgesehene Förderung bleibt jedoch weit hinter dem Bedarf zurück. Und dass die Sprachstandserhebungen nach Delfin4 in einigen Fällen sogar eher kontraproduktiv sind, lassen erste Auswertungen bereits erkennen.

 

Das Land macht in diesem Bereich den Versuch, nicht vorhandene Klasse durch Masse auszugleichen. In Bielefeld haben wir einen besseren Weg: Wir haben Klasse für die Masse und das kostet Geld. Geld, dass auch zukünftig in die Hand genommen werden muss. Vor allem aber müssen wir unsere hohen Standards verteidigen, den wir hier in Bielefeld haben.

 

Auch die erstmalige Bezuschussung der Kindertagespflege ist ein netter Versuch. Natürlich müssen wir uns über jedes noch so kleine Zubrot freuen. Aber die Landesregierung sollte erst prahlen, wenn sie heim reitet, heißt: Wenn sie Zuschüsse gibt, die sich an der Realität orientieren. 

 

Bei den Kindergartenbeiträgen stielt sich das Land doppelt aus der Verantwortung: Das Konnexitätsprinzip wird mit Füßen getreten und den Kommunen große Belastungen aufgebürdet. Finanziell kaum handlungsfähige Städte wie Bielefeld sind dann gezwungen, den Eltern höhere Kindergartenbeiträge abzuknöpfen. Und das Land kann sich Fäustchen lachen, denn es sind ja die Kommunen, die die Beiträge festzusetzen haben.

 

Insgesamt geht die Verwaltung von Mehrkosten in Höhe von bis zu 5,85 Millionen Euro aus. Um nur einen Vergleich zu bemühen: Das ist ein halber Sennesee.

 

Der Antrag der SPD greift viele richtige Kritikpunkte auf. Und auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass Sie zunächst über fachliche Bedenken schreiben und erst dann über die finanziellen Auswirkungen, wird meine Fraktion den Antrag unterstützen.

 

Denn wir brauchen eine Kinderpolitik aus einem Guss. Dafür müssen die Kommunen sicherlich auch ihren Beitrag leisten. Ich bin der Meinung, dass wir auch in Bielefeld weiterhin versuchen müssen, in die Zukunft der Kinder zu investieren und die Stadt familienfreundlicher zu gestalten. Dafür haben wir bereits einige gute Schritte gemacht.

 

Aber dass wir aus Düsseldorf auf diesem Weg ausgebremst werden, sollten wir uns nicht bieten lassen. Wir sollten bereits jetzt über Maßnahmen nachdenken, wie wir die Regelungen des Kibiz zum besseren wenden. Diese ersten Ideen müssen wir kurzfristig und gemeinsam entwickeln. Es hat keinen Sinn, politische Grabenkämpfe auf dem Rücken der Kinder auszutragen.

 

Lassen Sie uns alle zusammen daran arbeiten, dass unsere Stadt und auch das Land NRW familienfreundlicher werden, vielleicht sogar das familienfreundlichste Land, das sich der Ministerpräsident vor langer Zeit gewünscht hat. Lassen Sie uns aber auch zusammen daran arbeiten, dass das Land seinen Beitrag dazu leistet.

 

Vielen Dank

 

 

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