Zensus: Grundlagen und Hintergründe

Worum geht’s beim Zensus?

Durch den Zensus sollen staatliche Entscheidungsprozesse mit Daten unterfüttert werden, speziell vor Ort wichtig für Planungsprozesse und Infrastrukturfragen. Aber auch Verteilungsfragen, z.B. beim Länderfinanzausgleich und Schlüsselzuweisungen sind von einer aktuellen Datenbasis abhängig. Der Wunsch nach einer Auffrischung der Datenbestände hat durchaus Hand und Fuß: Die Datensätze stammen in den alten Bundesländern aus dem Jahr 1987 und in der ehemaligen DDR aus dem Jahr 1981. Die Bundesrepublik verlor bei der letzten Volkszählung etwa eine Million EinwohnerInnen, allein wegen der Bereinigung der Datensätze um „Karteileichen“.

Der Zensus 2011 ist keine Volkszählung im eigentlichen Sinn. Statt einer Vollerhebung (also einer persönlichen Befragung aller Bürgerinnen und Bürger) wird der Zensus 2011 registergestützt durchgeführt, d.h. es werden größtenteils bestehende Datensätze zusammengeführt. Um diese statistisch abzusichern, wird bei ca. 10% der Bevölkerung (repräsentative Stichprobe) eine persönliche Befragung durchgeführt. Darüber hinaus werden alle WohnungseigentümerInnen befragt, um ein vollständiges Gebäude- und Wohnungsregister zu erstellen.

Das im Sommer 2009 von der damaligen Großen Koalition beschlossene Bundes- Zensusgesetz ist in datenschutzpolitischer und –rechtlicher Hinsicht in mehreren Aspekten problematisch. So wurde gegenüber der EU-Zensusverordnung der Umfang der Stichprobe für die persönliche Befragung erhöht und mit der Religionszugehörigkeit wurde ein neues Merkmal aufgenommen, das seitens der EU gar nicht vorgesehen war. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar und der Vorsitzende der Zensuskommission, Prof. Dr. Gert Wagner, halten dieses Merkmal für unnötig. Auch sind die Datenschutzvorgaben in Sonderbereichen (z.B. Justizvollzugsanstalten und Studierendenwohnheime) unzureichend gefasst.

Wesentliches Problem ist aber die grundsätzliche Herangehensweise, bestehende Datensätze zusammenzufassen. Genau dies hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem für die deutsche Datenschutzpolitik zentralen Volkszählungsurteil eigentlich ausgeschlossen. Gerade die hierbei notwendige, eindeutige Personenkennziffer ist hochproblematisch – das BVerfG schrieb damals sinngemäß in der Urteilsbegründung, dass der Staat hierdurch seine BürgerInnen zu einer Nummer degradieren würde. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Zensusgesetz wurde zwar von etwa 12.000 Menschen unterstützt, aus formalen Gründen aber vom Bundesverfassungsgericht nicht zugelassen. Auch ich selbst gehörte zu den UnterstützerInnen der Verfassungsbeschwerde.

Wer in die Stichprobe gerät, ist verpflichtet zu antworten (§ 18 Abs. 1 ZensG). Lediglich bei der Frage nach der Religionszugehörigkeit muss nur geantwortet werden, wenn man einer anerkannten Religionsgemeinschaft angehört, bzgl. anderer Glaubensgemeinschaften ist die Frage freiwillig zu beantworten. Wer die Auskunft verweigert, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann (§ 23 Abs. 3 Bundesstatistikgesetz).

Was regelt das Ausführungsgesetz NRW und was ist davon zu halten?

Das Ausführungsgesetz NRW regelt die Zuständigkeitsbereiche auf Landesebene und die Verantwortlichkeiten der Kommune, ebenso wie die Kostenerstattung des Landes an die Kommunen für die mit dem Zensus verbundenen Aufwendungen. Die auf Landesebene verantwortliche Behörde ist Information und Technik NRW (IT.NRW). Die Durchführung des Zensus wird mit dem Ausführungsgesetz an die Kommunen delegiert. Die Bedingungen für die Durchführung sind ebenfalls im Ausführungsgesetz enthalten, soweit diese nicht bereits durch das Bundesgesetz geregelt sind.

Die Landtagsfraktion hat dem Ausführungsgesetz zugestimmt. Die Mängel des Bundesgesetzes können weder durch die Ausführungsgesetze der Länder, noch durch die kommunale Umsetzung vollständig wettgemacht werden. Wir haben den Prozess intensiv begleitet, u.a. mit einer Expertenanhörung des Innenausschusses. Das Protokoll der Anhörung findet sich hier, und hier die Stellungnahme des von uns benannten Sachverständigen Oliver Knapp.

Wesentlicher Diskussionspunkt war die Höhe der Erstattungen für die Kommunen. Das Ausführungsgesetz wurde im Sommer noch unter IM Wolf auf den Weg gebracht. Damals wurden bereits Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt, die jedoch ergebnislos verliefen. Die Landesregierung legte die Erstattung daraufhin bei ca. 28 Mio. Euro fest. Hierbei wurden bezüglich des Aufwandes bei der Erhebung jedoch falsche Annahmen zu Grunde gelegt, beispielsweise für die Dauer des Ausfüllens eines Fragebogens die Zeit, wie sie auch beim Mikrozensus – einer jährlichen Befragung und damit im Gegensatz zum Zensus 2011 eine Routineaufgabe – zu Grunde gelegt wird.

Die Rot-Grüne Landesregierung konnte im November ein Einvernehmen mit der kommunalen Familie herstellen, den Erstattungsbetrag auf ca. 37,5 Mio. aufzustocken. Wir konnten zwar nicht die datenschutzpolitischen Mängel des Bundesgesetzes ausbügeln, die höhere Erstattung soll jedoch besonders der Umsetzung der Datenschutzregelungen aus dem Zensusgesetz zugutekommen.

Was machen die Kommunen?

Die Kommunen sind durch das Landesgesetz mit der Durchführung des Zensus beauftragt. Dafür richten sie Erhebungsstellen ein, die die lokale Durchführung umsetzen und die Ergebnisse der Befragungen auswerten. Auch die Auswahl der Erhebungsbeauftragten (also der „Volkszähler“) gestalten die Kommunen vor Ort im Rahmen der Regelungen des ZensG 2011 AG NRW.

Die Erhebungsstellen werden bei den kreisfreien Städten und bei kreisangehörigen Gemeinden beim Kreis eingerichtet (§ 3 ZensG 2011 AG NRW). Wichtig bei den Erhebungsstellen ist das sogenannte Abschottungsgebot: Die Erhebungsstellen müssen für die Dauer des Zensusverfahrens räumlich und organisatorisch von allen anderen Verwaltungseinheiten abgeschottet werden. Hierfür sind geeignete Maßnahmen zu treffen (§ 7 ZensG 2011 AG NRW).

Die Grundlagen für die Auswahl und Verpflichtung der Erhebungsbeauftragten regelt § 10 ZensG 2011 AG NRW. Wie die anderen Länder auch, delegiert NRW diese Aufgabe an die kommunalen Erhebungsstellen. Als ErhebungsbeauftragteR kann grundsätzlich jedeR BürgerIn verpflichtet werden, die/der mindestens 18 Jahre alt und gesundheitlich dazu in der Lage ist. In der Regel wird auf Freiwillige oder kommunale Bedienstete zurückgegriffen. Die Erhebungsbeauftragten müssen geschult und auf die Einhaltung des Statistikgeheimnisses verpflichtet werden.

Weder das Zensusgesetz noch das Ausführungsgesetz regeln im Detail die Kriterien für die Eignung oder Zuverlässigkeit der Erhebungsbeauftragten. Insofern muss vor Ort darauf geachtet werden, dass im kommunalen Auswahlverfahren entsprechende Sensibilität bei den kommunalen Erhebungsstellen besteht.

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