Rede zum Antrag „Für echtes Netz“

Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man auf die gut zwanzig Jahre zurückblickt, die das World Wide Web nun alt ist, dann denkt man sich, wie weit könnten wir eigentlich mit der Gestaltung des digitalen Wandels sein, wenn wir nicht dauernd hingehen und Selbstverständlichkeiten verteidigen müssten.

(Beifall von den PIRATEN)

Der Grundsatz der Netzneutralität ist ein Erfolgsgeheimnis des Internets, wie wir es heute kennen. Die diskriminierungsfreie Übertragung von Datenpaketen war bisher eigentlich immer eine solche Selbstverständlichkeit, auch wenn es in den letzten Jahren immer wieder Versuche gab, sie einzuschränken.

Die Deutsche Telekom hat – das ist natürlich der Anlass für unseren Antrag – ihre Tarife umstrukturiert. Statt echter Flatrate können Kundinnen und Kunden seit Anfang Mai nur noch Datenkontingente buchen. Das ist eine unternehmerische Entscheidung, die sich massiv auf die digitale Teilhabe auswirken wird. Deshalb kritisiere ich diese auch. Die Drosselung allein ist aber noch kein Verstoß gegen die Netzneutralität.

Wir bekommen erst dann ein Problem, wenn – das ist die Absicht der Deutschen Telekom – eigene Produkte, wie beispielsweise Entertain, bevorzugt behandelt und auf die zur Verfügung stehenden Datenkontingente nicht angerechnet werden. Dann liegt ein Verstoß gegen die Netzneutralität vor. In diesem Augenblick haben wir ein Problem, das wir anpacken müssen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Obermann von der Telekom hat gesagt, man könne es nicht allen recht machen. Das fand ich eine bemerkenswerte Einsicht. Ich glaube aber, dass er nicht damit gerechnet hat, dass es fast 200.000 Menschen gibt, denen das nicht recht ist und die deswegen eine Online-Petition unterschrieben haben und von denen viele heute Nachmittag auch in Köln demonstrieren. Mit diesem berechtigten und auch von den Grünen im Landesverband unterstützten Protest hat Herr Obermann wahrscheinlich nicht gerechnet.

Es geht aber an dieser Stelle auch nicht allein um die Tarifreform der Deutschen Telekom. Es geht auch nicht allein um die Frage, wie sich hier ein großer Konzern aufstellt. Vielmehr geht es darum, dass wir jetzt eine Situation haben, die wir für die Zukunft unbedingt vermeiden und ausschließen müssen. Deswegen brauchen wir dringend eine Garantie der Netzneutralität.

Dabei ist die Bundesebene am Zug. Wir müssen die Netzneutralität durchschlagskräftig im Telekommunikationsgesetz verankern. Was bisher darin steht, das hilft einfach nicht. Die bisherigen Regelungen sind eben nicht durchschlagskräftig. Es hilft auch nicht das, was die CDU-Fraktion im Landtag vorgeschlagen hat. In ihrer Pressemitteilung von vor ungefähr zwei Wochen hat sie vorgeschlagen, doch einmal mit denen zu reden, die die Netzneutralität verletzen wollen, dann wird das schon was.

Von der FDP haben wir bisher noch gar nichts gehört. Mein Eindruck ist, das ist auch besser so, wenn wir uns einmal ansehen, was die FDP auf Bundesebene macht. Das wissen wir seit der TKG-Novelle des letzten Jahres. Danach soll der Markt alles richten. In der Diskussion, die wir jetzt haben, übernimmt Herr Rösler das Aigner-Prinzip. Solange das Thema heiß ist, werden markige Pläne geschmiedet, wenn es dann einen anderen Aufreger gibt, landet das alles in der Schublade. Das gleiche Schicksal blüht sicherlich Philipp Röslers bösem Brief nach Bonn.

Meine Damen und Herren, wir sprechen viel über Meinungs- und Medienvielfalt im digitalen Zeitalter. Beides gerät mit einem Zwei-Klassen-Internet, wie es uns ohne gesetzliche Garantie der Netzneutralität droht, in ernste Gefahr. Deshalb war es mir wichtig, dass wir in unserem Antrag auch die Chancen für die Wirtschaft bei einer Festschreibung der Netzneutralität betonen. Netzneutralität bedeutet fairen Wettbewerb und Marktzugänge für innovative Unternehmen.

In diesem Sinne freue ich mich, auf die Debatte im Ausschuss. Ich sage aber auch ganz klar, dass das, was wir heute angehen, nicht die einzige Baustelle ist. Wir werden den Netzbauausbau weiter vorantreiben. Wir werden Initiativen unternehmen für Breitbanduniversaldienstverpflichtung. Wir sorgen in allen Bereichen für digitale Teilhabe.

Das ist ein gewaltiges Programm. Ich hoffe dabei, dass es dafür auch konstruktive Unterstützung aus der Opposition in diesem Haus gibt. Ganz besonders hoffe ich – und damit will ich schließen –, dass es nach dem 22. September eine neue Mehrheit im Deutschen Bundestag gibt, die endlich genau für diese Themen steht, die ein Ende macht mit einer Koalition, die den digitalen Wandel von vorn bis hinten verschläft, sodass wir dann endlich auch eine klare gesetzliche Absicherung der Netzneutralität haben werden. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von den PIRATEN)

Artikelbild: Bernd Schälte, Landtag NRW

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