Rede zur Abschaffung der Roaming-Gebühren innerhalb der EU

Plenarrede am 17.10.2013 zum Antrag der CDU-Fraktion “Abschaffung der Roaming-Gebühren für Mobilfunkgespräche innerhalb der EU”.


Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Optendrenk, Sie haben sehr pathetisch ausgeführt, was die Abschaffung der Roaminggebühren für das europäische Projekt bedeutet. Grundsätzlich sind wir uns völlig einig darin – Sie haben die einstimmigen Beschlüsse auf der EU-Ebene auch zitiert –, dass parteiübergreifend durchaus eine große Bereitschaft besteht, die Abschaffung der Roaminggebühren als einem Projekt der Verordnung zum Telekommunikationsmarkt positiv zu begleiten.

Grundsätzlich würde ich auch die Einschätzung teilen, dass Europa dadurch im Alltag erfahrbar wird. Für die Bürgerinnen und Bürger ist es sicherlich gut, Europa in Form eines Projektes zu erfahren, das in ihrem Alltag eine positive Rolle spielt. Durch dieses Projekt zeigt sich wieder: Europa ist nicht nur die böse Bürokratie und nicht nur etwas, was mich Geld kostet, sondern auch etwas, was sich positiv in meinem Alltag niederschlägt. – Die Bürgerinnen und Bürger sehen also, dass sie vom Projekt Europa profitieren können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist auch wichtig, zumindest bei diesem Projekt ein gemeinsames Bekenntnis dazu abzugeben, zusammen an einem europäischen Telekommunikationsmarkt arbeiten zu wollen. Das ist ein Ziel, bei dem Europa wirkt. Ich glaube, dass es sich hier auch um einen Bereich handelt, bei dem viele Menschen zusammen darauf hinwirken müssen, dass ein solches Ziel erreicht wird; denn es sind schon viele Berichte darüber im Umlauf, dass es massiven Lobbydruck gibt, sich von diesem Projekt abzuwenden.

Man muss aber nicht mit ganz so viel Pathos von dieser Verordnung reden, wie Sie das getan haben, Herr Kollege; denn bei der vorliegenden Verordnung gibt es auch eine ganze Reihe von Themen, die sehr kritisch diskutiert werden. Insbesondere die Netzneutralität war in den letzten Wochen immer wieder Gegenstand von kritischen Diskussionen.

Wir als Grüne kritisieren mit allem Nachdruck, dass es sich in der Verordnung von Frau Kroes um eine De-facto-Abkehr vom Grundsatz der Netzneutralität handelt. Netzneutralität bedeutet gleichberechtigte Übertragung von Datenpaketen. Sie ist das Erfolgsgeheimnis des offenen und freien Internets, wie wir es heute kennen.

Der Ausschuss für Kultur und Medien hat am 10. Oktober 2013 – einige Kolleginnen und Kollegen waren dabei – eine große Anhörung zu dieser Thematik und zum Stellenwert des Grundsatzes der Netzneutralität durchgeführt. Ich fand es beeindruckend, zu hören, wie wichtig dieses Thema für ein freies und offenes Internet ist und welche große Rolle es für Start-ups, kleine Unternehmen und Innovationen aus dem wirtschaftlichen Bereich, aber auch für freie Projekte wie die Wikipedia spielt. Der Vertreter von Wikimedia Deutschland hat uns sehr umfangreich und sehr ausführlich dargelegt, wie zentral der Grundsatz der Netzneutralität für freie Projekte wie nicht nur die Wikipedia, sondern – das fand ich sehr sympathisch – auch die bessere Wikipedia, also die Entwicklung von Zukunftsprojekten in diesem Bereich, ist.

Es ist bedauerlich, dass die Kommission in ihrem Verordnungsentwurf die Abkehr von der Netzneutralität ermöglicht und das Zweiklasseninternet de facto legalisiert – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es seit Jahren Druck aus dem Europäischen Parlament gibt. Das Europäische Parlament fordert die Kommission immer wieder auf, auf die Gewährleistung des Grundsatzes der Netzneutralität hinzuwirken. Darin, dass diese Forderung nicht aufgenommen wird, sehen wir eine Abkehr seitens der Kommission von dieser Forderung.

Zugleich sehen wir aber, dass es in der jüngeren Vergangenheit auch auf der nationalstaatlichen Ebene in Deutschland keinerlei Bewegung bei diesem Projekt gab. Die abgewählte Bundesregierung hatte das Projekt der Netzneutralität noch in ihrem Koalitionsvertrag stehen, hat es dann aber jahrelang verschleppt. Die FDP stand da die ganze Zeit auf der Bremse. Bei dem, was am Ende ins neue Telekommunikationsgesetz hineingeschrieben wurde, ist keine Spur mehr davon zu erkennen, dass man die Relevanz des Projekts Netzneutralität abzusichern verstanden hätte. Es ist aber auch vier ganze Jahre lang kein Wille erkennbar gewesen.

(Beifall von Hans Christian Markert [GRÜNE] und Dirk Schlömer [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen das Zweiklasseninternet verhindern. Deswegen sind wir vor einigen Monaten hier als rot-grüne Mehrheit aktiv geworden. Wir sind aber auch bereit, an dem Projekt des europäischen Telekommunikationsmarktes mitzuarbeiten, weil wir es hier mit zwei wichtigen Verbraucherrechten zu tun haben.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Matthi Bolte (GRÜNE): Zum einen geht es darum – das ist, glaube ich, parteiübergreifender Wille –, die Abzocke beim Roaming zu beenden. Es ist wichtig, dass wir uns dabei jetzt auf den Weg machen.

Zum anderen ist Netzneutralität als ein zentrales Verbraucherrecht im digitalen Zeitalter zu gewährleisten. Dort haben wir noch einige Arbeit vor uns. An dieser Stelle sollten wir auch als Land durchaus Druck machen. Hier hat die neue Bundesregierung, die sich gerade in der Bildung befindet, eine große Aufgabe. Wir müssen aus Deutschland endlich Druck machen, damit es in Europa Netzneutralität gibt; denn Europa ist dabei der Schlüssel. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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