Vorratsdatenspeicherung: Der Generalverdacht gegen uns alle bleibt

Seit Mittwoch ist die Katze aus dem Sack. Die Bundesregierung setzt ihr Vorhaben nun doch in die Tat um, die anlasslose und massenhafte Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Bundesjustizminister Heiko Maas stellte am Mittwoch Eckpunkte zur Neuregelung vor. Seine Botschaft: „Alles halb so schlimm“. Mitnichten, an vielen Stellen kommt es sogar noch schlimmer als beim ersten, verfassungswidrigen Gesetz.

Die alte deutsche Regelung – unter der ersten Regierung Merkel eingeführt – war im März 2010 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Die zugrundeliegende Richtlinie der EU wurde im April 2014 durch den Europäischen Gerichtshof verworfen. Beide Gerichte waren sich einig: Es ist unverhältnismäßig, die Bevölkerung unter Generalverdacht zu stellen, denn Vorratsdaten liefern die Quelle für ein umfangreiches Bewegungs-, Kommunikations- und Persönlichkeitsprofil unbescholtener Bürgerinnen und Bürger.

Seine Linie „Alles halb so schlimm“ begründet Justizminister Maas vor allem mit kürzeren Speicherfristen. Aber egal, ob Vorratsdaten nun 10 Wochen oder wie vorher sechs Monate gespeichert werden: Der Generalverdacht gegen uns alle bleibt. Statt endlich Lehren aus dem NSA-Skandal zu ziehen und die Befugnisse der Sicherheitsbehörden enger und klarer zu fassen, tut die Bundesregierung das genaue Gegenteil. Ihr eigener Anspruch, „Datenschutz made in Germany“ zum Standortvorteil zu entwickeln, wird vollständig konterkariert.

Dass die Bundesregierung darauf beharrt, Inhalte der Kommunikation würden nicht gespeichert, ist eine weitere Verharmlosung. Die anfallenden und über lange Frist gespeicherten Meta-Daten verraten so viel über uns, dass auch viele Schlüsse über die Inhalte der Kommunikation gezogen werden können. Nötig wäre eher eine Verkürzung der heute schon vorgenommenen Speicherungen.

An einigen Stellen gibt es auch gegenüber der verworfenen alten Regelung sogar noch Verschärfungen. So werden den Anbieterinnen und Anbietern von WLAN-Hotspots umfangreiche Speicherpflichten über die Nutzerinnen und Nutzer auferlegt. Zehntausende Menschen werden somit Ziel der ausufernden und unverhältnismäßigen Überwachung sein. Verbunden mit den fatalen Plänen der Bundesregierung zur „Störerhaftung“ wird hier nicht nur Überwachung ausgeweitet, für den Ausbau offener WLANs werden neue Hürden aufgebaut. Dabei wäre dieser Ausbau ein dringend notwendiger Schritt zur Sicherung digitaler Teilhabe.

Nicht abschließend klar ist, inwiefern Daten von Messenger-Diensten (etwa Facebook oder WhatsApp) in die Speicherung einbezogen werden. Die Verlautbarungen des Justizministers waren hier ebenso unklar, wie die Ausführungen in seinem Eckpunktepapier. Sollten diese Daten tatsächlich auf Vorrat gespeichert werden müssen, läge hier eine weitere, dramatische Ausweitung der Überwachung vor.

Abschließend wirklich dramatisch sind die Regelungen zu Berufsgeheimnisträgern wie Anwälten, Pfarrern oder Seelsorgern. Auch ihre Daten werden gespeichert, für sie besteht lediglich ein Verwertungsverbot. Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, mit welch bizarren Begründungen – Stichwort: „Die Weltraum-Theorie des BND“ – deutsche Sicherheitsbehörden ihre Kompetenzüberschreitungen und Grundrechtsverletzungen rechtfertigen, hält sich mein Vertrauen in solche Beschränkungen in Grenzen.

Fazit: Die „Höchstspeicherfristen“ der Bundesregierung sind die Neuauflage der anlasslosen Massenüberwachung durch die Vorratsdatenspeicherung. Diese ist nicht „halb so schlimm“, sondern sogar schlimmer: Ein dramatischer und völlig unverhältnismäßiger Eingriff in unser aller Freiheit.

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