Plenarrede zur Digitalisierung

Plenarrede zum Antrag der FDP-Fraktion „Nordrhein-Westfalen braucht eine Digitalisierungs-Offensive“ am 2. September 2015

Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ging es ganz ähnlich wie dem Kollegen Vogt. Als ich den Antrag der FDP-Fraktion sah, dachte ich: Guck an, da ist der Entschließungsantrag zur Regierungserklärung, den Sie damals vergessen haben auszudrucken. Anders kann ich mir das nicht erklären. Der Antrag enthält ein paar digitalpolitische Versatzstücke, was man sich bei der FDP so irgendwie mal zum Internet ausgedacht hat: irgendwie etwas mit Breitband machen und irgendwie ein bisschen die digitale Wirtschaft unterstützen. Freifunk ist nach zweieinhalb Monaten auch nicht mehr so verkehrt. Und irgendetwas mit Schule muss natürlich in jedem Antrag stehen.

Wenn das Ihre Digitalstrategie sein soll, lieber Kollege Hafke, haben wir es mit einer Luftnummer zu tun, die selbst für liberale Verhältnisse beeindruckend wenig Substanz hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn das aber eine digitalpolitische Generalabrechnung sein soll – so haben Sie es versucht zu intonieren –, haben Sie einen gewaltigen Rohrkrepierer kreiert. – Schauen wir uns mal gemeinsam an, was Sie vorgelegt haben:

Die Strategie für die digitale Wirtschaft hat der Wirtschaftsminister im Juni vorgelegt.

Zur digitalen Bildung hat die Schulministerin letzten Freitag eine Pressekonferenz gegeben. Die Stichworte sind Medienpass, Programmieren in der Grundschule, digitale Schulbücher, Arbeitsplattform LOGINEO, Lehrerfortbildung, Investitionsprogramm NRW.BANK. Die Ministerin wird Ihnen das bei Interesse mit Sicherheit gerne noch etwas ausführlicher erklären.

(Zurufe von der CDU)

Beim Breitband sind wir auf dem Weg und noch nicht am Ziel – völlig klar.

(Lachen von der CDU)

Aber machen Sie doch, bitte schön, mal einen substanziellen Vorschlag, der über das hinausgeht, was in diesem Antrag steht! Darin steht: Wir machen uns die EFRE-Welt, wie sie uns gefällt.

(Zuruf von den PIRATEN)

Das ist ein Drops, der seit anderthalb Jahren gelutscht ist. Während Sie ein längst erledigtes Fass wieder aufmachen wollen, arbeitet diese Regierung, arbeitet diese Koalition daran, dass es tatsächlich bis 2018 die 50‑MBit‑Versorgung für alle im Land gibt. Um perspektivisch deutlich darüber hinauszukommen, haben wir die MICUS-Studie. Dafür beraten wir am „Runden Tisch Breitband“. Ende September soll die Strategie am runden Tisch diskutiert werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will beim Breitband auch die Verantwortlichkeiten klar benennen. Zuallererst – daran muss man in diesem Kontext erinnern – sind in einem liberalisierten Markt die Anbieter in der Verantwortung, die Hauptlast des Ausbaus zu tragen. Aber wir nutzen die Möglichkeiten, die wir haben, intelligente Impulse zu setzen, zum Beispiel durch die Erlöse aus der digitalen Dividende etwa über das Kommunalinvestitionsfördergesetz. Da setzen wir intelligente Impulse.

(Zurufe von der CDU)

Ich bleibe auch dabei: Der Bund muss endlich seine Verantwortung ernst nehmen, die er für das Generationenprojekt Breitbandausbau hat: mit einem echten Förderprogramm, mit einem klugen Regulierungsrahmen. Liebe Kollegen von der FDP, gerade diesen klugen Regulierungsrahmen hat Ihr Philipp Rösler vergeigt. Er hat die Netzneutralität nicht abgesichert. Er hat einen vernünftigen Infrastrukturatlas über das TKG verhindert. Und er hat bis zuletzt – bis Sie abgewählt wurden und aus dem Bundestag geflogen sind – gewartet, dass die unsichtbare Hand des Marktes den Spaten in die Hand nimmt und die Glasfasern verbuddelt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist Ihre Bilanz, und ich bin froh, dass es nicht unsere Bilanz ist.

Zum Freifunk haben wir eben schon etwas gehört. Sie haben im Juni‑Plenum als FDP einen wirklich peinlichen Auftritt gehabt. Mir ist nur noch die Erotik des Freifunks in Erinnerung. Das schien Sie aber so überfordert zu haben, dass Sie unserem Antrag an der Stelle nicht folgen konnten. Dass Sie sich jetzt zu den Freifunkapologeten aufspielen, ist wirklich bizarr. Ich bin froh, dass es in Nordrhein-Westfalen so viele engagierte Freifunkerinnen und Freifunker gibt. Die wissen seit dem letzten Plenum, woher sie Unterstützung bekommen: von den Kollegen aus der Piratenfraktion und von der Koalition.

Zum Abschluss kommt noch – das fand ich besonders spannend an Ihrem Antrag – Ihr Beitrag zur Digitalisierung der Demokratie. Das ist allen Ernstes der Internetausschuss. Wow! An der Digitalisierung der Demokratie arbeiten wir, seit wir 2010die Regierung übernommen haben. Gucken Sie sich Open.NRW an! Gucken Sie sich die Beteiligungsformate an! Gucken Sie sich das Open-Data-Portal an! Im Januar haben wir versprochen, im März kommt dieses Portal. Wann ist es an den Start gegangen? Am 16. März. Das haben wir versprochen, das haben wir gehalten. Das E-Government-Gesetz ist einer umfangreichen Konsultation unterzogen worden. Es ist in der Verbändeanhörung.

Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Matthi Bolte (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen, was Sie heute vorgelegt haben, ist ein gewaltiger Rohrkrepierer. Ihr Antrag wird durch die Überweisung nicht besser, aber vielleicht lernen Sie noch das eine oder andere über Digitalpolitik. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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