Rede zu CDU-Plänen zur Internetüberwachung

Plenarrede zum CDU-Antrag „Digitales Terrorabwehrzentrum“ am 3.12.2015

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Matthi Bolte (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Stein, die CDU hat in den vergangenen Monaten immer wieder den digitalen Wandel als Chance betont. Mit dem heutigen Antrag wissen wir: Das war alles blumiges Geschwätz; denn dieser Antrag atmet wieder den alten CDU-Mief von vorgestern. Für Sie ist der digitale Wandel etwas Böses, das Internet etwas Bedrohliches.

(Robert Stein [CDU]: Das ist eine notorische Übertreibung!)

Uns eint die Betroffenheit über die Anschläge von Paris, uns eint die Bereitschaft zum Kampf gegen die terroristischen Mörderbanden, und uns eint auch die Wut, dass Diensteanbieter und Betreiber sozialer Netzwerke mit Hetze im Netz nach wie vor so lax umgehen.

Aber ein Rechtsstaat – und das haben wir auch in der Debatte heute Morgen zum Ausdruck gebracht, lieber Herr Kollege Stein – zeichnet sich gerade dadurch aus, dass er auch in schwierigen Situationen, in denen er barbarisch angegriffen wird, stets verhältnismäßige Antworten findet – Antworten, in der Freiheit und Recht den Vorrang haben.

Sie fordern uns heute auf, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.

(Robert Stein [CDU]: Nein!)

Sie fordern eine automatisierte, vollständige Überwachung sämtlicher Inhaltsdaten. Ich hoffe, dass Sie einfach keine Ahnung haben, was Sie da unter Punkt 3 Ihres Antrags formuliert haben.

(Zurufe von Robert Stein [CDU])

Aber das ist genau das, was dahinter steckt, was Sie in der Konsequenz brauchen, wenn Sie das tatsächlich ernst meinen, lieber Kollege Stein.

Ich will nur daran erinnern, dass Sie vonseiten der CDU in der Debatte über die Vorratsdatenspeicherung immer argumentiert haben, das sei doch alles halb so schlimm, das seien doch keine Inhaltsdaten. – Das war natürlich schon damals Quatsch, weil auch Metadaten jede Menge persönlicher Informationen verraten. Aber was Sie heute beantragen, zeigt, wes Geistes Kind Sie wirklich sind; denn um das umzusetzen, müssen Sie eben alle Inhalte

(Robert Stein [CDU]: Das ist doch schon längst Realität!)

filtern, und dabei erwischen Sie dann nicht nur die Terroristen, sondern eine unfassbare Menge an Daten von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern.

(Robert Stein [CDU]: Das ist eine ganz neue Sicht der Dinge!)

Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt, der mich an Ihrem Antrag massiv verärgert hat, war Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema „Verschlüsselung“. Sie haben die verschlüsselte Kommunikation gewissermaßen als Ursache allen Übels ausgemacht. Es ist gut, dass der Dienst „Telegram“, den Sie angesprochen haben, in Bezug auf die IS-Chat-Gruppen bereits reagiert hat. Aber eine sichere, vertrauliche und verschlüsselte Kommunikation ist dringend notwendig. Das Ende der verschlüsselten Kommunikation würde in der Bevölkerung viele Verlierer zurücklassen. Das wäre im digitalen Zeitalter ein massiver Einschnitt in die Freiheit.

Zuletzt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, möchte ich Ihnen noch Folgendes sagen: Sie lassen völlig offen, was Ihnen jetzt eigentlich genau fehlt. Ich hatte beim Lesen den Eindruck, Sie haben noch nie davon gehört, dass es bei unserem Landeskriminalamt so etwas wie ein Cybercrime-Kompetenzzentrum gibt, und dass Sie noch nicht mitbekommen haben, was der Verfassungsschutz so macht.

(Zuruf von Robert Stein [CDU])

Das kann damit zu tun haben, dass an der öffentlichen PKG-Sitzung, in der wir vor einiger Zeit sehr prominent diskutiert haben, was der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz zur Abwehr der islamistischen Umtriebe im Netz tut, niemand vonseiten der CDU teilgenommen hat.

(Beifall von Andreas Bialas [SPD])

Darüber hinaus haben Sie gar nicht konkret gesagt, was Sie jetzt eigentlich genau meinen. In Ihrem Antrag steht, die Landesregierung solle ein gesondertes Kompetenzzentrum aufbauen. In Ihrer Rede haben Sie gerade aber gesagt, das könne man doch auch irgendwie mit dem GTAZ und dem GIZ machen.

Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie wirklich Interesse an einer substanzhaltigen Debatte haben oder sich tatsächlich irgendwann mal mit dem Thema auseinandergesetzt haben.

(Zurufe von Robert Stein [CDU])

– Lieber Herr Kollege Stein, hören Sie mir doch einfach einmal zu. Wir haben dort, wo es wirklich zählt, reagiert. Wir haben nach den feigen Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ reagiert. Wir haben neue Stellen bei Verfassungsschutz und Polizei geschaffen. Wir stellen dieses Jahr über 1.900 Polizistinnen und Polizisten ein.

Die Antwort auf neue Herausforderungen – und die abscheulichen Taten der IS-Terrorbande stellen definitiv eine neue Herausforderung für die innere Sicherheit dar – muss doch lauten, dass wir uns dem mit einer soliden Arbeit von Polizei und Sicherheitsbehörden entgegenstellen. Darüber, wie das funktionieren kann, können wir gerne im Ausschuss debattieren. Eine grenzenlose Erweiterung der Überwachungsinstrumente allerdings wird es mit uns  nicht geben. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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