Zwischenbilanz: Schnelles Internet im Schneckentempo

Bilanzsaison beim Ausbau der digitalen Infrastruktur.  Und die ist mehr als ernüchternd. Außer schönen Worten, geschönten Zahlen und neuen Ankündigungen konnte der zuständige FDP- Minister Pinkwart nicht viel liefern. Weder der Gigabit- noch der Mobilfunkausbau machen die entscheidenden Schritte nach vorne, die wir dringend brauchen. Gipfel, Pakte und Masterpläne bringen keine gigabitfähigen Netze, schließen keinen einzigen der 14000 weißen Flecken in NRW und bauen keine Mobilfunkmasten.

Wir wollen eine zukunftsfähige, flächendeckende digitale Infrastruktur – keine Mogelpackungen und keine Zwischenlösungen. Ich habe Euch hier meine Zwischenbilanz zum aktuellen Stand des Infrastrukturausbaus in NRW zusammengestellt. Außerdem findet Ihr Hintergrundinfos zu unseren Plänen für den Netzausbau. 

Gigabitausbau im Schneckentempo

Der Gigabitausbau in NRW läuft weiter im Schneckentempo. Ende 2019 konnten rund 49 % der Haushalte in Nordrhein-Westfalen auf Bandbreiten von 1 Gbit/s oder mehr zugreifen. Mitte 2020 sind es 52 % Prozent, die auf gigabitfähige Netze zugreifen können. Bei gleichbleibender Ausbaugeschwindigkeit werden es Ende 2025 nur rund 85 % der Haushalte sein. Damit würde Pinkwart sein eigenes Ausbauziel von 100 Prozent im Jahr 2025 krachend verfehlen.

Eine noch größere Ausbaulücke ist sogar wahrscheinlich, denn der Ausbau verläuft in aller Regel nicht linear, sondern degressiv, d.h. die echten Herausforderungen bei Finanzierung und Arbeitsaufwand entstehen auf den letzten Metern. So  droht eine deutlich größere Verzögerung.  Pinkwart hat im letzten Jahr bereits sein eigenes Ziel unbemerkt relativiert – weg vom Flächenziel hin zur Versorgung der Haushalte. Nicht einmal dieses niedriger angesetzte Ziel wird er mehr erreichen.

Gerade die ländlichen Gebiete würden nicht erschlossen, wenn der Minister nicht endlich mehr als schöngefärbte Zahlen und wohlklingende Worte bietet. Bisher geht der eigenwirtschaftliche Gigabitausbau in den Gebieten voran, wo es im Eigeninteresse der Netzbetreiber liegt. Wenn es weitergeht wie bisher, würden die Gebiete, in denen kein eigenwirtschaftlicher Ausbau möglich ist, abgehängt. Schwarz-Gelb darf die ländlichen Räume bei der digitalen Infrastruktur nicht im Stich lassen!  

Im Zentrum des eigenwirtschaftlichen Ausbaus stehen weiterhin Brückentechnologien wie HFC-Netze und VDSL-Lösungen, die zwar unter optimalen Bedingungen Downloadraten im Gigabitbereich ermöglichen, aber keine zukunftsfesten Lösungen bieten. Deshalb müssen wir endlich weg von Bandbreitenzielen und hin zu einem klaren Infrastrukturziel. Neben unbürokratischeren Förderverfahren und einer konsistenten Ausbauplanung brauchen wir eine politische Richtungsentscheidung: Weg von den Mogelpackungen wie „gigabitfähige Netze“ oder „Glasfaser first“, sondern einzig und allein Glasfaser Only!

Glasfaser – Infrastruktur mit Klimabonus

Auch um die Erschließung der Gewerbegebiete mit Glasfaser steht es nicht gut. Eigentlich sollen bis 2022 alle Gewerbegebiete vollständig mit Glasfaser versorgt sein. Zwischen Mai 2019 und September 2020 ist die Versorgung gerade einmal um 3 Prozentpunkte angestiegen und steht jetzt bei 17 Prozent. Wie innerhalb von zwei Jahren die fehlenden 83 Prozent der Gewerbegebiete mit Glasfaser versorgt werden sollen, wird mit jedem Tag rätselhafter. Gut die Hälfte der Schulen können laut Zahlen der Landesregierung bisher auf gigabitfähige Netze zugreifen.  

Das ist zu wenig, gerade in einer Zeit, in der wir über Distanzlernen sprechen. Und selbst diese Zahl relativiert sich schnell, wenn man genauer hinschaut. Während es bei Gewerbegebieten ein klares Infrastrukturziel – nämlich den Glasfaserausbau – gibt, definieren bei Schulen wieder Downloadraten das Ziel. Schulen werden also nicht unbedingt mit Glasfaser versorgt – mit der Folge, dass die Geschwindigkeiten abnehmen, je mehr Personen gleichzeitig auf das Internet zugreifen. Zudem ist mit dem Anschluss noch nicht geklärt, wie das Internet in den Schulen verteilt wird. Es braucht eine entsprechende Inhouse-Verkabelung sowie WLAN-Access-Points.  

Zudem hat eine Glasfaserinfrastruktur auch einen klaren Klima-Bonus. Mit schnellen Glasfasernetzen leisten wir einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz. Denn Glasfaser ist dem alten Kupfernetz nicht nur bei der Übertragungsgeschwindigkeit überlegen, sondern glänzt auch durch einen erheblich geringeren Energieverbrauch. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes zeigt, dass der Internetzugang über Kupferkabel (VDSL) rund 5-mal mehr Energie als der Netzzugang mit Glasfaserkabel benötigt. Eine moderne digitale Infrastruktur wird außerdem dazu beitragen, dass die Energiewende dezentral und smart zum Erfolgsprojekt wird.

Lange Leitung auch beim Mobilfunk

Der leitungsgebundene Ausbau kommt also nicht vom Fleck. Aber auch der Mobilfunkausbau trippelt trotz Pakten und Masterplänen auf der Stelle:  

  • Noch immer gibt es in NRW 14.000 Funklöcher über bewohntem Gebiet. Noch immer ist die flächendeckende Versorgung mit LTE nicht erreicht.
  • Trotz bindender Verpflichtung der Netzbetreiber aus dem Mobilfunkpakt, bis Ende 2019 alle Hauptverkehrsstrecken (Autobahnen und ICE-Trassen) mit LTE zu versorgen, fehlen bundesweit allen über 2.000 Kilometer Bahnstrecken. Reaktion von Minister Pinkwart: bisher keine.

Wo es vorangeht, setzen die Mobilfunkbetreiber lediglich die Verpflichtungen aus der Frequenzauktion 2015 um. Sie müssen bis zum 1. Januar 2020 mindestens 97 Prozent in jedem Bundesland und bundesweit 98 Prozent  der Haushalte mit LTE versorgen. Das konnte nur erreicht werden, wenn sie im dicht besiedelten NRW stärker ausbauen. Die Pflicht wird also durch die Netzbetreiber erledigt, für die Kür beim Ausbau hat auch Pinkwarts Mobilfunkpakt nicht gereicht.

Statt sich selbst zu loben, muss Pinkwart endlich wirksame Maßnahmen für die Zeit ergreifen, in der der Ausbau nicht mehr allein von den Unternehmen ohne sein Zutun gestemmt wird. Dafür brauchen wir keine PR-Zahlen, sondern einen koordinierten und kooperativen Ausbau durch die Netzbetreiber. Der Aufbau einer energieeffizienten und zukunftssicheren Glasfaserinfrastruktur muss mit dem Ausbau des Mobilfunks konsequent zusammen gedacht werden. 

Auch beim 5G-Ausbau darf man sich nicht von den vermeintlichen Wunderzahlen täuschen lassen. Die aktuell verfügbaren Geschwindigkeiten liegen noch weit hinter den Möglichkeiten des neuen Mobilfunkstandards zurück, wie wir sie für vernetztes Fahren oder die Smart Factory brauchen. Was derzeit von den Netzbetreibern ausgerollt wird,  setzt auf bisher für 4G genutzten Frequenzbereichen auf. Durch das sogenannte Dynamic Spectrum Sharing (DSS) können die Mobilfunkbetreiber ihre LTE-Antennen mittels eines Softwareupdates so nutzen, dass sie im selben Frequenzband 4G und 5G gleichzeitig anbieten können. Hierdurch wird zwar schneller eine höhere Netzabdeckung mit 5G erreicht, allerdings mit klaren qualitativen Nachteilen gegenüber einem reinen 5G-Netz. Es werden niedrigere Datenraten erzielt und die Latenzzeit ist vergleichbar mit 4G. Zudem könnte mit dieser Übergangslösung der Ausbau des echten 5G ausgebremst werden und der Digitalstandort Deutschland weiter abgehängt werden. 

Die digitale Infrastruktur ist die Lebensader für das 21. Jahrhundert. Wir müssen heute Bedingungen schaffen, die den Bedürfnissen der Menschen und der Unternehmen in unserem Land auch morgen noch gerecht werden. Wir GRÜNE setzen auf einen flächendeckenden Ausbau von Glasfaser und 5G, damit alle Menschen in Nordrhein-Westfalen vom digitalen Wandel, der damit einhergehenden Innovation und Standortsicherheit profitieren können.  

Die Digitalpolitik der Landesregierung ist bisher durch unverbindliche Ankündigungen geprägt. Die großspurigen Erwartungen, die Schwarz-Gelb zu Oppositionszeiten geweckt hat, wurden enttäuscht. Während die schwarz-gelbe Landesregierung wichtige Zeit mit immer neuen Gipfeln, Pakten und Masterplänen verbringt, die nur den Status Quo schönreden, schlagen wir GRÜNE konkrete Maßnahmen vor. Wir brauchen:  

  • Koordinierten und kooperativen Ausbau, der Mobilfunk- und Glasfaserausbau zusammendenkt
  • unbürokratische Förderverfahren
  • eine politische Richtungsentscheidung: Weg von den Mogelpackungen wie „gigabitfähige Netze“ oder „Glasfaser first“, sondern einzig und allein Glasfaser Only!

 Es bleibt dabei: Wir wollen flächendeckenden Ausbau der Glasfaserinfrastruktur und einen flächendeckenden 5G- Ausbau bis zum Ende dieses Jahrzehnts. Das ist ambitioniert, aber bei den richtigen politischen Rahmenbedingungen möglich. Wie das gelingt, haben wir in unserer Agenda „Für die Menschen und die Milchkanne – GRÜNE Strategien für bessere digitale Infrastruktur“ festgehalten.

1 Kommentar

  1. Compactron

    Sehr guter Artikel! Insbesondere der Hinweis auf das Festhalten an Brückentechnologien gefällt mir. Im neuen „Graue-Flecken-Programm“ der Bundesregierung werden Orte mit (anbieterseitig nicht regulierter) HFC-Anbindung tatsächlich grundsätzlich(!) von der Förderung für FTTB/FTTH ausgeschlossen. Könntet ihr da nicht einmal gegenwirken? Klingt nach Lobbyismus von Seiten der Kabelbranche, denn die denkt nicht gerne an den Austausch der uralten Koaxialkabel ungeeigneter Struktur durch Glasfaser.

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