Plenarrede zum Gesetzentwurf der CDU zur Änderung des Landesbeamtengesetzes am 2. September 2015
Matthi Bolte (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In bester koalitionärer Eintracht darf ich da anknüpfen, wo Thomas Stotko gerade aufgehört hat,
(Beifall von Thomas Stotko [SPD]
nämlich bei der Feststellung, jede Beamtin, jeder Beamter, die oder der in Ausübung ihrer oder seiner Tätigkeit verletzt wird, ist eine Person zu viel.
Wir diskutieren oft im Innenausschuss, Kollege Kruse, über die Frage, wie wir einen optimalen Schutz vor Übergriffen gewährleisten. Da kommt von der CDU in der Regel wenig von substanziellem Gehalt. Die Kollegen Golland und Co. führen dann die Überwachung mit Tasern, mit Body-Cams und Ähnlichem an. Sie wissen, dass wir da nie zusammenkommen. Deswegen müssen wir heute auch darüber nicht diskutieren. Wir sprechen heute auch nicht über den Untoten, den Sie jedes Mal wieder beleben, wenn wir gerade den Antrag abgelehnt haben, nämlich die rechtspolitisch falsche und wirkungslose Strafrechtsverschärfung.
Wir reden heute über etwas anderes, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ein Mensch, der in Ausübung einer staatlich übertragenen Funktion und Aufgabe Ziel von Übergriffen, von Gewalt wird, braucht bestmögliche Unterstützung. Da gibt es heute schon zahlreiche Konstellationen, in denen das Land als Dienstherr Leistungen zugunsten der Betroffenen erbringt. Davon sind etwa Leistungen der Unfallfürsorge, insbesondere Kosten der Heilbehandlung und Pflege, umfasst, um nur zwei Beispiele zu nennen. Dabei handelt es sich dann um die Übernahme tatsächlich anfallender Kosten.
Beim Schmerzensgeld liegt es rechtlich betrachtet etwas anders. Das Schmerzensgeld hat eine Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion. Es ist als Ersatz für immaterielle Schäden konzipiert. Diesen Unterschied muss man dann in der Debatte auch berücksichtigen.
Uns ist klar, dass es für Menschen frustrierend ist, wenn es ihnen nicht möglich ist, ausgeurteilte Ansprüche tatsächlich durchzusetzen, wenn sie erst einmal Recht bekommen haben. Aber nichtdestotrotz werden wir in den kommenden Diskussionen im Rahmen der Dienstrechtsreform natürlich darüber sprechen müssen, was geht und was nicht geht.
Wir sind uns einig, dass Beamtinnen und Beamte, gerade diejenigen, die sich regelmäßig in kritische Situationen begeben, um einen Dienst an der Gemeinschaft zu leisten, Anerkennung und Unterstützung brauchen. Aber das, was Sie hier so nonchalant einbringen, wirft doch eher Fragen, insbesondere Rechtsfragen auf, die einer Klärung bedürfen. Das unterschlagen Sie an dieser Stelle.
Ich möchte gerne einige Fragen umreißen – Thomas Stotko hat eben schon einige angesprochen –, die uns beschäftigen.
Das beginnt damit, dass wir vor einer Änderung wissen müssen, wie viele Fälle es überhaupt gibt, bei denen eine solche Regelung einschlägig wäre. Ich erinnere mich noch an die Diskussionen, die wir in der letzten Legislaturperiode um die sogenannten Blaulichtunfälle hatten. Dabei gab es nur einige wenige Fallkonstellationen, in denen unser Entschädigungsrecht nicht funktioniert hat. Da ging es tatsächlich um Einzelfälle. Das konnten wir mit einer Stiftung lösen. Ich befürchte aber, dass wir es bei der Konstellation, auf die Sie abstellen, wegen der steigenden Fallzahlen mit einer deutlich größeren Zahl zu tun haben dürften.
Damit eng verknüpft ist die Frage, wo genau die Schutzlücke liegt. Damit verbunden ist die Frage, wie wir das im Zweifelsfall juristisch sauber definiert bekommen, wo diese Schutzlücke liegt. Wie sieht es aus mit der ungleichen Behandlung von Tarifbeschäftigten, wenn nur Beamtinnen und Beamte in den Genuss dieser Fürsorgeleistungen kommen würden? Warum wollen Sie den Tarifbeschäftigten nicht auch diese Leistung zuteilwerden lassen?
Das sind nur einige Fragen, die Ihre isolierte Vorlage zum Beamtenrecht aufwirft. Sie werfen mit dem heute eingebrachten Antrag mehr Fragen auf, als Sie lösen.
Um zum Abschluss zu kommen: Ich finde ein bisschen seltsam, wie Sie verfahren wollen. Wir haben ein breit angelegtes Verfahren zur Dienstrechtsreform. Dieses Verfahren läuft noch. Das Verfahren geht auf die Zielgerade. Die Entwürfe für das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz wurden von der Landesregierung dem Landtag übermittelt. Das ist ein großes Paket mit insgesamt 18 sehr guten und wichtigen Vorschlägen, wie wir unsere Ziele für einen attraktiven und zukunftsfähigen öffentlichen Dienst erreichen können. Ich will exemplarisch nur die Durchlässigkeit und das Gesundheitsmanagement herausgreifen und – für unseren Kontext natürlich besonders wichtig – die Wiedereinführung der Ruhegehaltsfähigkeit. Die Ruhegehaltsfähigkeit haben wir immer versprochen. Das wird jetzt verwirklicht.
Sie greifen in dieser großen Debatte einfach einen Punkt aus einem riesigen Vorhaben heraus. Das finden wir vom Verfahren her nicht wirklich vernünftig. Das Dienstrecht ist nämlich ein organisches Ganzes. Es ist dabei nicht sinnvoll, einen Teilbereich herauszureißen. Sie haben sich für einen anderen Weg entschieden. Der ist aus unserer Sicht nicht sinnvoll. Aber das ist okay. Deswegen freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss.
(Beifall von den GRÜNEN)
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