Rede zum Schlussbericht des Untersuchungsausschusses „Silvesternacht 2015“

Rede zum Schlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses IV „Silvesternacht 2015“ im Plenum des Landtags am 5. April 2017

Anrede,

Die Ereignisse der Kölner Silvesternacht haben uns tief betroffen gemacht. Sie haben das Vertrauen der Öffentlichkeit und insbesondere der Opfer der Übergriffe in die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaats erschüttert, die Debatte über die Zuwanderung in eine falsche Richtung abgelenkt und gerade die Geflüchteten, die bei uns in Nordrhein-Westfalen Schutz vor Verfolgung und Not suchen, oftmals einem Generalverdacht ausgesetzt.

Die Fraktionen haben den Ausschuss einmütig eingesetzt. Wir haben viele Erkenntnisse gemeinsam zutage gefördert. Aber es war dennoch nicht möglich, zu gemeinsamen Bewertungen und Schlussfolgerungen zu kommen.

Dass dies nicht möglich war, bedaure ich ausdrücklich.

Anrede,

der Untersuchungsausschuss hat vordringlich die Eskalation in der Silvesternacht 2015/16 untersucht. Basierend auf dem Kenntnisstand vom 9. Dezember 2015 war es sachgerecht, mehr Polizei zur Verfügung zu stellen, wie es dann auch geschehen ist. Insofern kann man zumindest noch von einer lagegemäßen Einsatzplanung sprechen.

In der Nacht selbst wurden dann aber massive Fehler begangen. Kommunikationswege wurden – sofern sie überhaupt vorhanden oder bekannt waren – nicht genutzt. Bei allen beteiligten Behörden gab es Defizite in der Führung des Einsatzes. Die Situation wurde zu spät erkannt und die notwendigen Konsequenzen nicht gezogen. Es fehlte an Vorfeldaufklärung, es fehlte an frühzeitigem Einschreiten und es hätten Kräfte nachgefordert werden müssen.

Das schlimmste Versäumnis aller beteiligten Behörden lautet: Man hatte Sexualdelikte für diese Nacht schlichtweg nicht auf dem Zettel. Und dieses Versäumnis darf sich nie mehr wiederholen.

Anrede,

Der Ausschuss sollte auch weitere Sachkomplexe bearbeiten. Hier zeigte sich: Die Personalentwicklung der Polizei ist positiv. Rot-Grün hat so viele Polizistinnen und Polizisten eingestellt wie keine Regierung zuvor. Dadurch schaffen wir mehr Präsenz und Ansprechbarkeit. Das schafft echte Sicherheit und nicht eine Pseudo-Sicherheit durch mehr Überwachung.

In NRW gibt es keine No-Go-Areas, in denen die Polizei nicht mehr für Sicherheit sorgen würde. Die CDU hat lange gesucht, aber doch keine gefunden. Alle Zeugen sagen: Ja, bei uns gibt es Brennpunkte. Aber ganz klar auch: wir gehen überall rein. Das ist die Aufgabe der Polizei, dafür haben wir sie und dafür rüsten wir sie aus!

Die Gewalt gegen Polizeibeamte werden wir weiter im Auge behalten und die Situationen analysieren, in denen es zu Eskalationen gekommen ist. Wir werden das nüchtern, sachlich und erfolgsorientiert tun.

Anrede,

lassen Sie es mich an dieser Stelle deutlich sagen:

Nordrhein-Westfalen ist ein sicheres Land. Das galt vor der Kölner Silvesternacht und das gilt nach der Kölner Silvesternacht.

Anrede,

Was ist zu tun?

Wir haben Handlungsempfehlungen entwickelt, die die notwendigen Konsequenzen benennen. Alle beteiligten Behörden bei Großlagen müssen besser kooperieren. Das gilt für Vor- und Nachbereitung wie für die Durchführung. Sinnvolle Maßnahmen, dürfen nicht nur thematisiert, sondern müssen auch umgesetzt werden. Hier wurden Chancen vertan, die Ereignisse der Silvesternacht zu verhindern.

Die Dynamik einer Einsatzlage muss genauer beachtet werden. Wenn im Einsatz gehäuft Delikte und Muster auftreten, muss man das nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern aktiv handeln. Wir brauchen auch ausreichendes und für Führungsaufgaben qualifiziertes Personal bei den kommunalen Ordnungsbehörden.

Anrede,

Wir müssen – wie von der Landesregierung zugesagt – in den kommenden Jahren die hohen Einstellungszahlen halten. Und mit einer Weiterentwicklung der Belastungsbezogenen Kräfteverteilung dafür sorgen, dass Polizei überall da ankommt, wo sie gebraucht wird. Und wir werden die sozialraumorientierte Polizeiarbeit ausbauen. Denn gerade hier gilt: Ansprechbare Polizisten vor Ort helfen mehr als alle Haudrauf-Rhetorik von CDU und FDP in der Ausschussarbeit.

Anrede,

Einen wichtigen Teil der Handlungsempfehlungen nehmen bei uns Maßnahmen zur Verhinderung sexualisierter Gewalt ein. Wir wollen eine Dunkelfeldstudie zu Sexualstraftaten und deren Berücksichtigung bei der Polizeiarbeit. Wir wollen, dass Sexualstraftaten auch als solche erkannt werden. Deshalb müssen Defizite bei der deliktischen Einordnung von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung bei Aufnahme und Bearbeitung von Strafanzeigen beseitigt werden.

Wir wollen auch die operativen Kräfte im Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt sensibilisieren. Die Taten müssen erkannt und die Opfer ernstgenommen werden.

Wir stehen zum Ausbau der Netzwerke mit Angeboten der freien Frauenhilfestrukturen. Und ich muss nochmal daran erinnern, dass wir die unter Schwarz Gelb vorgenommenen Kürzungen in diesem Bereich umgehend korrigiert haben.

Anrede,

Das größte Versäumnis der Ausschussarbeit ist, dass zu oft die eigentliche Frage aus dem Blick geraten ist.

Und die lautet nicht: Wer hat wann was gesagt? Oder: Wer hat wann telefoniert?

Die eigentliche Frage ist: Wie verhindern wir sexualisierte Gewalt gegen Frauen?

Die Opposition hat diese Frage so gut wie nie gestellt. Das zeigt: Ihnen ging es in nicht um die Betroffenen der Silvesternacht. Und das halte ich für beschämend.

Dass der Vorsitzende, Herr Biesenbach von der CDU, bei seiner Berichterstattung gegenüber dem Landtag nicht einen einzigen Satz zu diesem Thema verloren hat, das ist beschämend.

Dass die FDP es nicht einmal für nötig gehalten hat, in allen Sitzungen in der Sommerpause 2016, als es um genau dieses Thema ging, teilzunehmen, illustriert Ihr Desinteresse in ganz besonders dramatischer Weise.

Das ist eine Missachtung der betroffenen Frauen! Und der eigentliche Skandal dieses Ausschusses.

Anrede,

Die Ausschussarbeit war schwierig. Sie war geprägt von Wahlkampf, Durchstechereien und Indiskretionen. Ich hätte mir gewünscht, mehr die eigentlichen Fragen der sexualisierten Gewalt in den Blick zu nehmen. Das wäre dieser Ausschuss den betroffenen Frauen schuldig gewesen. Aber gerade das hat die Opposition verhindert.

Und deshalb, meine Damen und Herren, als abschließender Appell: Nutzen wir nach der Wahl die Gelegenheit als Parlament, uns noch einmal intensiv mit der Prävention sexualisierter Gewalt auseinanderzusetzen – in der gebotenen Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit.

Denn Köln war ein singuläres Ereignis, aber was dort offen erkennbar wurde, geschieht tausendfach und fast immer im unmittelbaren Umfeld der Opfer. Und zwar nicht nur in NRW. Oft im Verborgenen und ohne dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden.

Und dabei darf es nicht länger bleiben!

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