Ergebnisse der Enquete-Kommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt“

Die wichtigsten Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission

Beginnend im Juni 2018 hat sich die Kommission mit Hilfe vieler verschiedener Expert*innen mit den Chancen und Herausforderungen der digitalen Transformation der Wirtschaft in NRW auseinandergesetzt. Der 266-seitige Abschlussbericht wurde mit nur wenigen Sondervoten verabschiedet. Das sind die wichtigsten Handlungsempfehlungen:

Stärkung des Homeoffice

Die Kommission empfiehlt die Stärkung von Homeoffice inklusive der Prüfung einer Pflicht für Arbeitgebende, die Ablehnung zu begründen. Diese gemeinsame Empfehlung ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber für uns Grüne noch nicht genug. Wir brauchen einen sicheren Rahmen für Homeoffice und wir brauchen ein echtes Recht auf Homeoffice. Homeoffice und mobiles Arbeiten müssen so ausgestaltet sein, dass die Beschäftigten wirklich davon profitieren. Homeoffice muss immer freiwillig sein und vor allem alternierend, als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz. Das ist notwendig, damit die Beschäftigten sozial integriert sind und bei der Weiterbildung oder bei Aufstiegsmöglichkeiten nicht unsichtbar werden. Homeoffice darf auch nicht zu unbezahlter Mehrarbeit führen. Es gilt daher: Jede Stunde Arbeit muss dokumentiert und am Ende auch bezahlt werden. Außerdem darf die Arbeitszeit im Homeoffice auch nicht entgrenzen. Wenn der Arbeitstag vorbei ist, haben die Beschäftigten das Recht, nicht mehr erreichbar zu sein. Home ist immer noch Home und Office ist Office.

Homeoffice ist auch ökologisch sinnvoll, denn eine aktuelle Greenpeace-Studie zeigt: Wenn in den Bereichen, wo das möglich ist, die Arbeitnehmer*innen zwei Tage die Woche zu Hause arbeiten, sparen wir 5,2 Millionen Tonnen CO2, also etwa so viel wie das Kraftwerk Datteln IV emittiert. So leistet die Digitalisierung einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz.

Rechtliche Klarheit schaffen

Beschäftigte und Arbeitgeber brauchen gleichermaßen Rechtssicherheit. Die Kommission hat zwar festgestellt, dass neue Beschäftigungsformen wie Cloud-, Crowd- und Gigwork noch immer ein Phänomen sind, das nur einen kleinen Teil der nordrhein-westfälischen Bevölkerung betrifft. Gerade deshalb aber sieht die Kommission die Notwendigkeit, diese neuen Beschäftigungsformen bezogen auf bisherige arbeits- und sozialrechtliche Schutzmechanismen zu überprüfen und ggf. den Schutzrahmen nachzuschärfen. Das gilt insbesondere für Dienstleistungen, die über Plattformen vermittelt werden. Die Kommission hat sich darüber hinaus darauf verständigt, Instrumente für die Einbeziehung von nicht-abhängig Beschäftigten in die bestehenden Systeme sozialer Sicherung zu prüfen.

Arbeitszeit

Die Arbeitszeitregulierung war eine der großen Kontroversen der Enquete-Kommission. Hier wird das Spannungsfeld von Flexibilität und Entgrenzung besonders deutlich. Unter digitalen Arbeitsbedingungen ist es heutzutage ohne weiteres möglich, sich nach der Arbeit am Nachmittag der Familie zu widmen und dann abends noch einige Stunden Büroarbeit von zu

Hause aus zu erledigen. Das kollidiert allerdings mit arbeitszeitrechtlichen Vorgaben zu Ruhezeiten. Dem Wunsch nach mehr Flexibilität auf der einen und der Forderung nach hohen Schutzstandards auf der anderen Seite, hat die Kommission mit der Empfehlung für eine Öffnungsklausel für selbstbestimmte Arbeitszeit und eine mögliche Umstellung von einer täglichen Höchstarbeitszeit auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit aufgenommen. Damit eine solche Öffnung keinen Missbrauch ermöglicht, soll sie zunächst gemeinsam mit den Sozialpartnern im Rahmen von Experimentierräumen geprüft werden.

Standards für IT-Sicherheit und Nichtdiskriminierung

Nach wie vor besteht in Deutschland erheblicher Nachholbedarf im Bereich der IT-Sicherheit. Die Kommission empfiehlt die Stärkung von IT-Sicherheitsstandards insbesondere im Bereich des Internet of Things. Ebenso sieht die Kommission den Bedarf, dass die Landesregierung Ethikrichtlinien für KI und ähnlich entstehende Bereiche mitdefinieren soll. Dabei spielt auch der Kampf gegen Diskriminierung eine entscheidende Rolle. Diskriminierende Algorithmen z.B. beim Bewerbermanagement sollen vermieden werden. Forschung und Wirtschaft sind dazu aufgerufen, diese zu verhindern.

Stärkung des Wissenschaftsstandorts

Die Herausforderungen der Digitalisierung gestalten wir nur mit einem starken Wissenschaftsstandort. NRW hat insgesamt gute Voraussetzungen durch insgesamt 40 öffentlich getragene Hochschulen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind noch ausbaufähig, liegen aber bereits auf relativ hohem Niveau. Die Kommission empfiehlt zusätzliche Grundmittel für Hochschulen für gezielte Schwerpunkte der Digitalisierung. Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft sowie Interdisziplinarität werden wichtiger. Weiterhin muss der Transfer verbessert werden: So ist die Zahl der Patentanmeldungen in NRW hoch, diese werden aber zu selten in den Markt gebracht. Deshalb sollen Ausgründungen aus Hochschulen weiter gefördert werden. Gerade im technologieorientierten Bereich sollte der Austausch zwischen Hochschulen, Unternehmen und Startups forciert werden.

Weiterbildung

Die digitale Transformation gelingt nur, wenn wir durch lebensbegleitendes Lernen die notwendigen Voraussetzungen schaffen. Die Enquete-Kommission hat sich mit diesem Thema deshalb sehr intensiv auseinandergesetzt. Die Kommission empfiehlt, die Ziele und Maßnahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie als sinnvollen Rahmen für die Landesebene weiterzuentwickeln und voranzutreiben. Gerade in den digitalen Schlüsselbranchen sollen zusätzliche Qualifizierungsprogramme aufgelegt werden. Auch die Hochschulen können ihren Beitrag leisten, indem sie niedrigschwellige Orientierungsangebote ausdehnen. Qualifikationsbedarf besteht auch mit Blick auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz, insbesondere bezogen auf den psychischen Bereich. Für Inklusions- und Integrationsprojekte schlägt die Enquete-Kommission vor, die Finanzierung zu vereinfachen und kurzfristige Laufzeitverlängerungen zu ermöglichen.

Wichtigste Befunde

Aus den Anhörungen einer Vielzahl von Sachverständigen, diversen Stellungnahmen und Gutachten konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

  • Die Gutachten für die Enquete-Kommission belegen: Die Arbeitsplatzbilanz der digitalen Transformation in NRW wird voraussichtlich positiv bis neutral sein. Das bedeutet, dass zumindest für NRW die Horrorszenarien von angeblich millionenfachem Jobverlust durch die Digitalisierung nicht zutreffen. Gleich viele oder mehr Jobs bedeutet aber nicht, dass es die gleichen Jobs sein werden. Die Qualifikationsanforderungen steigen deutlich. Das muss durch Weitbildung ausgeglichen werden.
  • NRW ist gut aufgestellt hinsichtlich der Anzahl der Beschäftigten in voraussichtlich zukünftig relevanteren Dienstleistungsbereichen und profitiert von hohen Anteilen an Schulabgänger*innen mit Abitur und geringen Anteilen an Schulabgänger*innen ohne Abschluss. Auch die Zahl der Studierenden ist hoch. Ausbaubedarf besteht bei der Anzahl von IT-Expert*innen und MINT-Absolvent*innen sowie der Patentanmeldungen im digitalen Bereich und bei der Reduzierung der Arbeitslosenquote.
  • Wichtigste Grüne Inhalte sind das Unterstützen von durch die Digitalisierung benachteiligten schwachen Gruppen, z.B. Niedrigqualifizierte, der Datenschutz und ökologische Einsparpotenziale durch die Digitalisierung.

Wie arbeitet eine Enquete eigentlich?

Die Enquete-Kommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt“ wurde am 26. April 2018

(Einsetzungsbeschluss hier) durch den Landtag eingesetzt. Sie konstituierte sich am 12. Juli 2018 und tagte bis Juli 2020 26 Mal.

Der Kommissionsbericht befasst sich mit den folgenden Fragen:

  • Wie ist die Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur in NRW?
  • Welche Veränderungen kommen auf die Sozialpartner zu?
  • Welche neuen Beschäftigungsformen gibt es und wie ist deren rechtliche Einordnung?
  • Wie verändert sich Arbeit räumlich und zeitlich?
  • Welche Auswirkungen bestehen für den Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutz?
  • Wie verändern sich Berufe, Tätigkeits- und Kompetenzprofile?
  • Welchen Stellenwert hat Weiterbildung im Rahmen der Digitalisierung und wie kann der Zugang zu dieser verbessert werden?

Um wissenschaftliche Grundlagen für ihre Arbeit zu erlangen, kann eine Enquete-Kommission Gutachten in Auftrag geben. Die Kommission hat davon Gebrauch gemacht und insgesamt drei Gutachten erstellen lassen, die hier abgerufen werden können:

  • „Stärken und Schwächen Nordrhein-Westfalens in Bezug auf die digitale Transformation der Arbeitswelt – Regionen, Branchen, Sektoren und Beschäftigte“ (Gutachter: IW Consult)
  • „Formen von Erwerbstätigkeit und Anpassungsbedarf des Arbeitnehmer- und Betriebsbegriffs unter arbeitsrechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten“ (Gutachter: Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. Steffen J. Roth, IWP Köln)
  • „Inhaltliche und strukturelle Anforderungen an eine Weiterbildungslandschaft im Rahmen der digitalen Transformation der Arbeitswelt“ (Gutachterin: Karin Dollhausen, Deutsches Institut für Erwachsenenbildung).

Neben den 13 Abgeordneten ist auch je Fraktion ein*e Sachverständige*r Mitglied der Kommission. Für die GRÜNE Fraktion war dies Prof. Dr. Thomas Haipeter, Leiter der Abteilung „Arbeitszeit und Arbeitsorganisation“ am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Ihm gilt unser besonderer Dank für seine Impulse und die gute Zusammenarbeit.

Zum Abschluss der Enquete-Kommission hatte der Landtag am 9. Oktober zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung eingeladen. Die Aufzeichnung könnt Ihr Euch hier anschauen.

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