FAQ Semesterbeiträge in NRW: Wofür sie da sind und wie das Land Studierende entlasten könnte

Je nach Hochschule sind noch bis Ende Februar oder Mitte März die Rückmeldungen zum Sommersemester 2021 möglich. Und einige Einschreibungen laufen auch noch. Dafür müssen die Studierenden die Semesterbeiträge an ihre Hochschulen überweisen. In jedem Semester beschweren sich Studierende, dass die Beiträge steigen oder sie diese überhaupt zahlen müssen. Manche nennen sie Studiengebühren und manche halten sie tatsächlich dafür. Was es mit den Semesterbeiträgen auf sich hat, wer sie bezahlen muss oder wer nicht und wie die Beiträge gesenkt werden könnten, stelle ich in diesem Beitrag dar.

Bevor Corona die Situation noch verschärft hat, verfügten Studierende durchschnittlich über weniger als 1.000 Euro im Monat, ein Fünftel von ihnen hatte kein eigenes Einkommen. Vier Fünftel arbeiteten zusätzlich zum Studium, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Da bedeuten mehrere hundert Euro Beitrag für das nächste Semester einen tiefen Einschnitt ins Portemonnaie. Wir Grüne sehen Land und Bund in der Verantwortung dafür zu sorgen, dass Studierende sich auf ihr Studium konzentrieren können. Den Bund fordern wir auf, das BAföG deutlich zu erhöhen und es durch eine elternunabhängige Förderung mehr Studierenden zugänglich zu machen. Das Land muss handeln, damit die seit einigen Jahren stark gestiegenen Semesterbeiträge sinken. Das kann es vor allem dadurch erreichen, dass es die Studierendenwerke und Verkehrsbetriebe besser finanziert.

Was sind Semesterbeiträge und warum soll ich sie zahlen?

Zunächst muss man sagen: Es gibt keine Studiengebühren an den öffentlichen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Diese haben wir Grüne 2011 zusammen mit der SPD abgeschafft. Im Gegensatz zu Studiengebühren dienen die Semesterbeiträge – mancherorts auch Sozialbeiträge genannt – nicht dazu die Hochschulen zu finanzieren*. Sie setzen sich zusammen aus Beiträgen für verschiedene Bereiche, von denen alle Studierenden profitieren können: für das Studierendenwerk, die Studierendenschaft und die ÖPNV-Tickets. Je nach Hochschule liegen die Semesterbeiträge für das Sommersemester 2021 bei 281 bis 336 Euro.

Im engeren Wortsinne sind Sozialbeiträge die Anteile der Semesterbeiträge, die an das Studierendenwerk gehen. Für das kommende Sommersemester sind das zwischen 75 und 110 Euro, je nach Hochschulstandort. Die Studierendenwerke finanzieren damit ihre vielfältigen Angebote für Studierende. Da die Landesfinanzierung nicht ausreicht, fließen die Sozialbeiträge direkt oder indirekt in alle Servicebereiche: in Mensen und Cafeterien, Kinderbetreuung, Beratungsangebote zur Studienfinanzierung, soziale und psychologische Beratung, Wohnheime, Kulturveranstaltungen und die Verwaltung.

Den größten Teil der Semesterbeiträge machen die Mobilitätsbeiträge aus, bestehend aus dem Semesterticket und dem NRW-weiten Ticket. Das sind zwischen 170 und 209 Euro im Semester, je nach Geltungsbereich des Semestertickets. Dadurch können Studierende unbegrenzt mit Bus und Bahn durch ihre Studienregion und NRW fahren.

Die Studierendenschaftsbeiträge machen mit aktuell 8 bis 18 Euro den kleinsten Teil der Semesterbeiträge aus. Das Geld wird verwendet für die Arbeit und die Angebote der Studierendenparlamente, Allgemeinen Studierendenausschüsse und Fachschaftsräte. Auf Beschluss der Studierendenschaft können noch weitere Beträge für bestimmte Angebote hinzu kommen. Aktuelle Beispiele sind: 1 Euro für Leihfahrräder, 3 Euro für ein Kulturticket, 85 Cent für den Studierendensport oder 30 Cent für ein Hochschulradio.

Grundsätzlich müssen alle Studierenden die Semesterbeiträge zahlen. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass Studierende eine Solidargemeinschaft bilden. Wenn sich viele beteiligen, wird es für alle günstiger und für die Einzelnen finanzierbar. Würden die Semesterbeiträge oder Teile von ihnen, wie das Semesterticket, nur freiwillig und nach individuellem Bedarf bezahlt werden, gäbe es diese Solidargemeinschaft nicht mehr. Das Solidarmodell beim Semesterticket funktionierte bisher nur, weil ihm zugrunde lag, dass nicht alle Studierenden regelmäßig Bus und Bahn nutzen. Die Beschlüsse für die Einführung von Semestertickets haben die Studierenden in Urabstimmungen selbst getroffen.

* Entsprechend sind die Grundgebühren der FernUniversität in Hagen eher als Studiengebühren einzuordnen. Wir Grüne kritisieren, dass CDU und FDP lieber eine gesetzliche Regelung geschafft haben, um die Studierenden der FernUniversität zusätzlich zur Kasse zu bitten, als ausreichend Landesmittel bereitzustellen, damit es nicht zu dieser verkappten Studiengebühr kommt.

Beispiel für einen Semesterbeitrag an einer Hochschule in NRW

Mobilitätsbeitrag:                         200

Sozialbeitrag:                                  92

Studierendenschaftsbeitrag:          12

Kulturticket:                                      3

Leihfahrräder:                                   1

Semesterbeitrag gesamt:              308 Euro

Kann ich mich davon befreien lassen?

Manche Studierende können sich zum Teil von Beiträgen befreien lassen oder sie auf Antrag zurückerhalten. Die Regelungen können sich von Hochschule zu Hochschule unterscheiden. Am besten ist es, sich die Informationen auf der Internetseite des jeweiligen Studierendenwerks und des AStA anzusehen oder in deren Sozialberatung zu gehen.

Studierende mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung können sich von den Beiträgen für das Ticket befreien lassen, wenn sie durch ihren Schwerbehindertenausweis einen Anspruch auf freie Beförderung haben oder wegen ihrer Behinderung nicht die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können.

Die Beitragsordnungen oder andere Regelungen der Studierendenschaften können weitere Gründe vorsehen, wann Studierende die Mobilitätsbeiträge und eventuell auch die Beiträge für die Studierendenschaften erstattet bekommen können: Beispielsweise, wenn sie aus bestimmten Gründen beurlaubt sind oder sich länger nicht am Studienort aufhalten. Ein ebenfalls häufiger Grund ist, dass die Zahlung der Beiträge eine nicht zumutbare soziale Härte darstellen würde – wenn also Studierende über besonders wenig Geld verfügen.

Auch für die Sozialbeiträge an die Studierendenwerke ist Beurlaubung zum Teil ein Grund, warum Studierende auf Antrag ihr Geld zurückerhalten können.

Es gibt individuell Möglichkeiten, weniger Semesterbeiträge zu zahlen. Das dient aber alles dazu, besonders bedürftige Studierende zu unterstützen. Das stärkt sogar den Gedanken der Solidargemeinschaft. Ein Auto zu besitzen ist hingegen kein Grund, vom Mobilitätsbeitrag befreit zu werden. Schließlich gibt es genügend Studierende, die nicht einmal daran denken können sich ein Auto zu kaufen; sie sind auf das günstige Ticket unbedingt angewiesen, um studieren zu können.

Können die Beiträge gesenkt werden?

Ja, die Semesterbeiträge könnten gesenkt werden. Da sie sich aus mehreren Teilbeiträgen zusammensetzen, muss an unterschiedlichen Stellen angesetzt werden. Das Wichtigste wäre, dass das Land seine Zuschüsse an Studierendenwerke und Verkehrsbetriebe erhöht.

Zwar könnten die Studierenden mit ihren Stimmen in den Verwaltungsräten der Studierendenwerke dafür eintreten, dass die Sozialbeiträge für die Studierendenwerke gesenkt werden. Aber das würde nur dazu führen, dass die Studierendenwerke einen Teil ihrer Angebote abschaffen müssten – wenn es keine ausgleichenden Gelder an anderer Stelle gibt. Damit die Sozialbeiträge gesenkt werden können, muss das Land seine Zuschüsse erhöhen: die sogenannten Allgemeinen Zuschüsse als Grundfinanzierung der Studierendenwerke, die Investitionszuschüsse für bestimmte Baumaßnahmen, die BAföG-Verwaltungskosten und die Tilgungsnachlässe – oder ein äquivalentes Zuschussprogramm – für Sanierung und Bau von Studierendenwohnheimen. Erhöht das Land diese Zuschüsse in den Haushalten des Wissenschafts- und des Bauministeriums in ausreichender Höhe, dann könnten außerdem die Kosten für Verpflegung in Mensen und Cafeterien sowie die Mieten in Studierendenwohnheimen sinken.

Dass die Mobilitätsbeiträge möglichst gleich bleiben, dafür setzen sich die Allgemeinen Studierendenausschüsse in ihren Verhandlungen mit den Verkehrsbetrieben immer ein. Damit es nicht erst zu überzogenen Erhöhungsplänen der Verkehrsbetriebe kommt, ist zum einen die lokale bzw. regionale Politik gefragt. Politiker*innen verschiedener Parteien sitzen in den Verwaltungsräten der Verkehrsbetriebe. Sie müssen viel stärker als in der Vergangenheit darauf beharren, dass es nicht im halbjährlichen Takt zu mehrprozentigen Preissteigerungen kommt. Die Landespolitik muss an anderer Stelle ansetzen: Über den Haushalt des Verkehrsministeriums erhalten die Verkehrsbetriebe vom Land jedes Jahr Gelder zum Ausgleich für vergünstigte ÖPNV-Tickets. Erhöht das Land die Mittel zur Subventionierung der Studierendentickets in ausreichender Höhe, können die Beiträge der Studierenden sinken. Außerdem müssen Land und Bund durch Regulierung und Förderung dafür sorgen, dass die allgemeine Preisentwicklung der Verkehrsbetriebe möglichst wenig auf die Nutzer*innen umgesetzt wird, zumindest auf diejenigen, die sich Bahnfahren sonst nicht mehr leisten können.

Über die Beiträge für die Studierendenschaft können die Studierenden im Studierendenparlament entscheiden. Die Parlamente und die Allgemeinen Studierendenausschüsse könnten ihre Ausgaben im Einzelfall hinterfragen. Aber Vorsicht: Wird bloß gespart, weil gespart werden soll, kann das dazu führen, dass soziale und kulturelle Angebote für Studierende gestrichen werden oder es weniger hochschulpolitische Vertretungen gibt. Daher sollte hier mit Bedacht vorgegangen und keine populistischen Forderungen erhoben werden. Bei den Zuschüssen des Landes für Studierendenwerke und Verkehrsbetriebe lässt sich besser ansetzen. Eine Landesregierung, die sich dafür einsetzten will, die wirtschaftliche Lage der Studierenden zu verbessern, muss an diesen Stellen ansetzen. Im Gegensatz zum BAföG, das in der Verantwortung des Bundes liegt, hat das Land hier direkte Gestaltungsmöglichkeiten.

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