Dagmar: An diesem Sonntag ist Europäischer Tag der Jugendinformation. Das ist ja ein Thema, das uns beiden am Herzen liegt. Jugendliche wollen sich – alle Jugendstudien zeigen das – beteiligen und einmischen. Aber oft fehlen ihnen die nötigen Informationen dazu.
Matthi: In der Tat! Ich habe das in meinem Bereich auch wahrgenommen, dass gerade netzpolitische Themen etwas sind, wo sich junge Menschen einbringen. Ich erinnere mich da zum Beispiel an die Proteste gegen das ACTA-Abkommen, wo wir mit vielen jungen Menschen gemeinsam auf der Straße waren. Und am Ende haben wir dieses Abkommen ja auch zu Fall gebracht. Viele junge Leute interessieren sich gerade für die intransparenten Handelsabkommen, weil sie eben auch lange mit den Folgen dieser Abkommen leben müssen – so ist es aktuell ja auch mit TTIP und CETA. Du arbeitest ja seit Jahren im Jugendbereich, wie wollen sich denn Kinder und Jugendliche engagieren? Eher die Welt retten oder eher den Spielplatz um die Ecke?
Dagmar: Das kommt aufs Alter an und darauf, wie nah das Thema an ihrer Lebenswirklichkeit dran ist. Also wenn Jugendliche merken, etwas betrifft mich und es interessiert mich, dann denken sie durchaus sehr global, sehr international und europäisch. Deshalb ist es gut, das Thema Jugendinformation eben auch europäisch zu betrachten. Und die digitalen Möglichkeiten nutzen junge Menschen viel schneller und häufiger als Ältere. Deshalb gelingt auch Vernetzung so schnell. Viele Jugendliche entwickeln auch selbst eigene Portale, auf denen sie aktiv werden. Jugendliche sind fast immer der Motor, immer die, die ihre Kritik sehr deutlich und vehement äußern, und wenn sie persönlich betroffen sind, dann mischen sie sich sehr gerne ein.
Matthi: Ja, und gerade die Digitalisierung bietet uns ja sehr große Möglichkeiten – nicht nur was Partizipation und Mitgestalten, sondern auch was Information angeht. „Jugend hackt“ zum Beispiel ist eine ganz tolle Initiative von der „Open Knowledge Foundation“. Die Initiative versucht, Kinder und Jugendliche ganz früh ran zu führen an Möglichkeiten der digitalen Medien. Zu diesen Möglichkeiten gehört auch das Nutzen von Daten. Das Stichwort ist da „Open Data“, also die proaktive Veröffentlichung von Verwaltungsdaten, die in technisch brauchbaren Formaten bereitgestellt und somit nutzbar gemacht werden. Deswegen ist es auch so wichtig und wird von uns so stark unterstützt, dass gerade Kommunen, die große Datenschätze haben, diese auch zugänglich machen. Wir haben letzte Woche unseren Online-Check veröffentlicht. Da haben wir deutliche Verbesserungen festgestellt im Vergleich zu 2014. Wir haben in Nordrhein-Westfalen schon 15 Open Data-Kommunen. Wir GRÜNE wollen natürlich daran arbeiten, dass das mehr werden.
Dagmar: Genau, in den Kommunen ist ja die Keimzelle der Partizipation und es ist Pflicht für Kommunen, Kinder und Jugendliche rechtzeitig und umfassend zu informieren und zu beteiligen. Dieses Recht kann aber noch nicht so umfassend genutzt werden, wie wir uns das wünschen. Ich sage immer, das Kinder- und Jugendförderungsgesetz ist das am häufigsten ignorierte Gesetz in Nordrhein-Westfalen. Jede Kommune muss Kinder und Jugendliche beteiligen, dieser Aufgabe kommen aber noch viel zu wenige nach. Und da könnten digitale Formen der Beteiligung viel häufiger genutzt werden. Und deshalb müssen wir diese Form der Beteiligung stärken. Digitale Beteiligung ist ein Schlüssel bei Jugendlichen.
Matthi: Was ich spannend finde: Wenn man sich die Mediennutzung anschaut, wird ja oft behauptet, Kinder und Jugendliche würden digitale Medien gar nicht selbstbestimmt und selbstbewusst nutzen. Sie würden alles ins Netz geben und würden alles veröffentlichen, auch ganz private Sachen. Alle Studien zeigen: Das stimmt überhaupt nicht. Kinder und Jugendliche wissen sehr wohl, wie sie ihre Privatsphäre schützen und mit privaten Informationen umgehen. In der überwältigenden Mehrheit wissen sie es sogar besser als Erwachsene.
Dagmar: Das ist das Stichwort: selbstbestimmt und selbstbewusst und auch kritisch Medien nutzen ist bei der Generation ihrer Eltern und Großeltern noch viel seltener.
Was mir bei den Themen Information und Beteiligung von Jugendlichen besonders wichtig ist, ist natürlich, wie es in der Verfassungskommission weiter geht, an der wir beide beteiligt sind. Grünes Kernanliegen war das aktive Wahlrecht für Menschen ab 16 Jahren bei Landtagswahlen. Im Moment sieht es so aus, als würde die CDU das völlig blockieren. Das ist absolut unverständlich, denn je früher wir Jugendliche beteiligen, desto stabiler ist unsere Demokratie von morgen. Wahlen sind die originärste Form der Beteiligung. Wenn Jugendliche wählen dürfen, sind sie auch motivierter, sich über Politik zu informieren. Deshalb sollten 16-Jährige auch dringend in Nordrhein-Westfalen wählen dürfen.
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